Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 94. Sitzung / Seite 127

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kinderreichen Familien im mittelständischen Bereich zuwenig Rücksicht. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. )

Mit der Besserstellung von Familien durch eine gelebte Partnerschaft, in der beide gleichwertig sind, wird auch eine Besserstellung der Rolle der Frau, die sich dafür entschieden hat, ihre Kinder zu Hause zu betreuen, erreicht. Wenn nämlich in diesem Zusammenhang hier davon die Rede ist, daß mit unserem Modell die Frau vom Arbeitsplatz weggelockt werden soll, dann hat man den Inhalt der Reform nicht verstanden. Solidarität in der Gesellschaft heißt auch, daß ich eine Chance haben muß, mir einen Weg auszusuchen. Wenn sich eine Frau nun dafür entscheidet, ihre Kinder selbst erziehen zu wollen und dafür ihren Beruf für kürze oder längere Zeit oder ganz aufzugeben, dann soll sie diese Möglichkeit haben. Denn diese Aufgabe ist eine sehr wichtige, eine Herausforderung für die Zukunft und auch ein beglückendes Erlebnis. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jung. )

17.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Haidlmayr. Die Restredezeit für Sie beträgt 3 Minuten. Aus diesem Grund gebe ich Ihnen die Möglichkeit, Ihre Wortmeldung von Ihrem Platz aus durchzuführen. – Bitte, Sie sind am Wort.

17.46

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Sie reden jetzt seit Stunden über den Begriff "Familie", und ich habe für mich überlegt: Was ist Familie? Sie wissen doch ganz genau, daß es die traditionelle Familie schon lange nicht mehr gibt. (Widerspruch bei der ÖVP.) Ist es Familie, wenn heute jemand geschieden ist, in einer Lebensgemeinschaft lebt, mit seiner Partnerin oder seinem Partner wieder Kinder hat? – Das kann keine Familie mehr sein, weil irgend jemand draußensteht, seien es die Kinder aus erster Ehe, seien es die Kinder aus der Lebensgemeinschaft.

Wir müssen den Begriff "Familie" umdefinieren. Es geht ganz konkret um das Zusammenleben von Menschen mit Kindern oder auch ohne Kinder, aber wir müssen uns vom traditionellen Familienbegriff verabschieden. (Rufe bei der ÖVP: Nein!) Wissen Sie, wie oft ich schon erlebt habe – und Sie werden das aus Ihrem Bekanntenkreis wahrscheinlich auch kennen –, daß man plötzlich völlig überrascht ist, weil die nach außen hin so intakte Familie plötzlich nicht mehr funktioniert? Wollen Sie sagen, nur wenn man verheiratet ist und Kinder hat, ist das gleichzeitig ein Beweis dafür, daß man Familie oder Zusammenleben automatisch auch lebt? Ich kann Ihnen sagen: Egal, ob Familie, Alleinerzieherin oder ein Leben in Lebensgemeinschaft – es geht um die Interessen der Kinder und um sonst gar nichts! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie heute von einer Familienbesteuerung reden, dann muß ich sagen: Das ist der falsche Weg. Ich kann Ihnen genug Familien in Ihrem Sinn nennen, die wohlhabend sind und in denen die Kinder trotzdem nichts haben. Nicht deshalb, weil es finanziell nicht möglich wäre, sondern weil von der Obrigkeit in der Familie – und die Obrigkeit ist immer derjenige, der das Geld hat – einfach verboten wird, daß der Sohn oder die Tochter ein bestimmtes Studium macht, weil dem Vater die Richtung nicht gefällt, weil verboten wird, daß das Kind während der Sommerferien schwimmen geht, da dies gerade nicht in die Laune von Mutter oder Vater paßt.

Wenn wir etwas aufwerten müssen, dann sind es die Kinder. Und Kinder können wir nur dann aufwerten, wenn wir ihnen ein Recht auf Selbstbestimmung zuerkennen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Hans Helmut Moser. )

Das Recht auf Selbstbestimmung beginnt damit, daß wir die Freiheit der Wahl der Schule für jedes Kind sicherstellen müssen und nicht von der Finanzierbarkeit durch die Eltern abhängig machen dürfen, daß wir alle Verkehrsmittel für alle Kinder bis zum 15. Lebensjahr frei benutzbar machen müssen – Kinder haben kein Einkommen, sie wollen aber auch mit dem Bus oder mit dem Zug fahren –, daß wir alle Freibäder, ja alle Freizeitmöglichkeiten für Kinder zum Nulltarif anbieten müssen, denn das gibt den Kindern die Chance, selbständig und eigenständige Persönlichkeiten zu werden und sich ...


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