Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 95. Sitzung / Seite 43

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Zweitens: Eine Anpassung an die geänderte Arbeitswelt findet auch nicht statt, weil die Abgrenzung zwischen selbständig und unselbständig Beschäftigten mißlungen ist. – Ich habe das bereits ausgeführt.

Drittens: Verlängerung der Durchrechnungszeiträume. Das haben Sie zwar beschlossen, aber es gilt erst vom Jahre 2003 an. Jeder, der sich damit befaßt, weiß, daß das zu einem früheren Zeitpunkt geschehen beziehungsweise schneller geschehen müßte. In Italien wurde beispielsweise beschlossen, bis zum Jahre 2004 den Durchrechnungszeitraum zu verlängern, nicht erst von 2003 an bis 2020.

Viertens: Eine spürbare Anhebung der Abschläge für die Frühpensionisten haben Sie nicht beschlossen. Sie macht lediglich 2 Prozent aus. Jeder, der sich auskennt, weiß, daß es 4 Prozent sein müßten.

Fünftens: Die gestiegene Lebenserwartung berücksichtigten Sie auch nicht.

Das waren die fünf Mindestansprüche von Professor Rürup – aber keinen dieser fünf Mindestansprüche haben Sie erfüllt. In Anbetracht dessen dürfen Sie sich nicht wundern, daß die Opposition – und im speziellen wir Liberalen – sagt: Sie haben das Ziel verfehlt, und zwar weit! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich bitte Sie daher inständig: Hören Sie damit auf, sich selbst für etwas zu loben, von dem Sie wissen – entsprechendes Fachwissen haben Sie genug –, daß es nicht stimmt! Damit erschüttern Sie nämlich das Vertrauen der Menschen!

Wenn Sie sagen: Wir haben es noch nicht ganz geschafft, wir werden im Jahre 2000 die nächste Pensionsreform machen müssen!, dann wissen die Menschen wenigstens, was auf sie zukommt. Es sagt das zwar die Opposition, es sagen das die Liberalen, es sagen das die Fachleute – aber Sie bestreiten es.

Es werden die Jahre 2000, 2001, 2002, 2003 kommen – die Zeit können Sie nicht aufhalten, sie läuft –, und dann werden Sie neuerlich eine Pensionsreform machen müssen. Was glauben Sie, welches "Vertrauen" das bei den Menschen auslösen wird?! Sie sprechen dauernd davon, daß man das Vertrauen der Bevölkerung nicht erschüttern solle. Ja sollen wir die Wahrheit verschweigen, damit die Leute mit uns gemeinsam mit 100 Stundenkilometern im Nebel in eine ungewisse Zukunft fahren?! – Da machen wir Liberalen nicht mit! Wir sagen: bremsen, stehenbleiben, orientieren und dann erst weiterfahren! Stimmen Sie deswegen bitte den drei Notbremsen zu, die wir heute eingebracht haben, und setzen wir morgen die Diskussion fort! Das kann es ja nicht gewesen sein. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Reitsamer: Sie haben überhaupt nicht zugehört!)

Meine Damen und Herren! Nehmen Sie Vorschläge wie zum Beispiel unseren Ansatz zur neuen Solidarität ernst! Das sind keine Schlagworte! Das ist der Versuch, einen großen Bogen – nicht den "Verfassungsbogen"! – einer gemeinsamen Lösung von Problemen zu machen, und zwar weit über die Parteigrenzen hinaus. Wenn Sie nicht bereit sind, mit uns gemeinsam umzudenken, dann wird alles in gewohntem Trott weitergehen. Doch schon morgen kommen die nächsten unangenehmen Dinge auf Sie zu.

Glauben Sie mir: Wir sind deswegen konstruktiv, weil wir gerne noch lange in diesem Land in sozialem Frieden gesichert leben möchten – nicht weil wir Ihnen helfen wollen, sondern weil wir der Republik helfen wollen! Wenn Sie das nicht ernst nehmen, dann werden Sie uns zunehmend verbittert machen; und wir können auch verbittert ganz gut argumentieren. Es kann dann unangenehmer sein, als bloß beschimpft zu werden. Glauben Sie mir das, bitte! Das kann wesentlich unangenehmer werden, denn das tut dann nämlich wirklich weh. Das ist dann die Wurzelbehandlung ohne Lokalanästhesie. (Abg. Dr. Gredler: Das ist gemein!) Das möchte ich gerne vermeiden. Ich hätte die Wurzelbehandlung gerne mit Lokalanästhesie gemacht, Frau Kollegin Reitsamer. Nehmen Sie das bitte ernst! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.08


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