Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 95. Sitzung / Seite 66

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wenigstens in dieser Richtung einen Schritt entgegenkommen. Mit "uns" meine ich die Wirtschaft und jene, die mit diesen Gesetzen leben müssen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Gestatten Sie mir aber, meine Damen und Herren, noch etwas Grundsätzliches zu sagen. Ich bin immer wieder verwundert, welche Diskrepanz zwischen persönlichen Gesprächen unter vier oder unter sechs Augen und den hier geäußerten Statements herrscht. Es gibt viele Menschen, viele Politiker, mit denen ich in der letzten Zeit gesprochen habe, und wir waren uns eigentlich immer darin einig, daß man froh sein muß, daß diese Regierung nicht zurücktreten mußte. Ich sage das selbst als Oppositionspolitiker mit einer gewissen Berechtigung. Ich glaube, es wäre kein guter Zeitpunkt gewesen. Ich glaube, daß das Scheitern von Regierungen kein Ruhmesblatt für eine Demokratie ist. Ich meine, wir sollten versuchen, das in Österreich beizubehalten und nicht den italienischen Weg zu gehen. In diesem Punkt glaube ich, daß es einen angenehmen Unterschied gibt. Das muß ich sagen, jawohl, das stimmt. Das ist ein Vorteil.

Daher ist es auch begrüßenswert, daß es eine Einigung gab; das ist absolut begrüßenswert. Das Urteil der öffentlichen Meinung und das Urteil der Bürger über diese Einigung sind schon längst gefällt. Sie werden das durch Statements und durch Beschwörungen hier von diesem Rednerpult aus nicht mehr ändern und auch nicht mehr korrigieren können. Da können Sie heute noch so oft herausgehen. Herr Nürnberger hat das geradezu großartig gemacht. Ich muß aber sagen, das ändert nichts am Urteil; das ist schon gefällt. Und Sie haben es – davon bin ich überzeugt – nachgelesen, als die Druckerschwärze noch frisch war. Sie müssen daher wissen, daß das Urteil vernichtend ist, weil nicht 183 Parlamentarier öffentliche Meinung machen, sondern öffentliche Meinung, meine Damen und Herren, machen Druckwerke, Tageszeitungen und elektronische Medien. Dort ist die Nachricht gekommen: Sie sind mit dieser Pensionsreform gescheitert!

Jetzt erzählen Sie uns hier: Wir sind nicht gescheitert; das ist ein großer Erfolg. – Wem sagen Sie das? – Mir soll es so und anders recht sein, meine Damen und Herren! Die öffentliche Meinung ist nicht nur der Ansicht, daß Sie inhaltlich gescheitert sind. Vor allem – und das bedauere ich mit Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition – ist die öffentliche Meinung gefestigt betreffend die Form, die Klänge daneben, dahinter, darunter, die Zwischentöne, die im Laufe dieser Wochen des Hickhacks, dieses Hin und Her durchgekommen sind. Da kann Herr Nürnberger zehnmal sagen: Wir wollen dieses österreichische System beibehalten, wir wollen so lange verhandeln, bis ein Ergebnis herauskommt.

Da muß ich sagen: Meine Herren, Sie haben nicht verhandelt. Sie haben gestritten. Sie haben erpreßt. Sie haben nicht argumentiert. Sie haben nicht Meinungen ausgetauscht, sondern: Sie haben versucht, Besitzstände zu verteidigen. Sie haben versucht, immer nur so viel herzugeben, als unbedingt notwendig ist, um sich den taktischen Vorteil nicht aus der Hand schlagen zu lassen.

Das, meine Damen und Herren, ist nicht konstruktiv. Das ist nicht zukunftsorientiert, und das ist nicht geeignet, Reformen herbeizuführen, sondern das dient bestenfalls dazu, den Besitzstand möglichst wenig beschneiden zu lassen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Lassen Sie sich noch etwas sagen: Ich glaube, es wird wenige hier in diesem Haus geben, die nicht bestätigen, daß der seinerzeitige Brief des Herrn Bundeskanzlers Vranitzky eine Wahl mitentschieden hat. Sie alle erinnern sich sicher an diesen Brief. Es haben ihn fast alle bekommen, in jeder Familie ist er mindestens einmal eingelangt, auch in unseren Familien. Meine Schwiegermutter ist in diesem Alter. Da muß man sagen: Jetzt wissen wir alle, das war eine Lüge. Der Brief beinhaltete eine Lüge. – Es hieß: Macht euch keine Sorgen; es gibt keinen Grund zur Besorgnis. – Daß es aber sehr wohl einen Grund zur Besorgnis gibt, ist jetzt bei dieser Reform zutage getreten. Und warum wurde dieser Brief geschrieben? – Er wurde geschrieben, um für weitere vier Jahre Macht zu erhalten. Er wurde einfach geschrieben, um zu sagen: Für noch einmal vier Jahre treten wir an!

Der Herr Präsident hat mir gestern gesagt, es gibt 50 Jahre sozialistische Regierungsbeteiligung. – Dazu kann ich nur sagen: Ich freue mich für Sie als Sozialdemokraten, daß Sie das


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