Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 95. Sitzung / Seite 74

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Dieser Forderung sind Sie aber nicht nachgekommen. Sie übernehmen bei geringfügig Beschäftigten die sozialversicherungsrechtlichen Kosten, die mit 1. Jänner 1998 anfallen werden, nicht aus den Mitteln des Bundes, sondern verlangen, daß das ausschließlich die Pflegegeldbezieher von ihrem spärlichen Pflegegeld zusätzlich mitfinanzieren. Das bedeutet konkret, Frau Reitsamer, eine Reduktion des Pflegegeldes um weitere 20 Prozent für jeden einzelnen Pflegegeldbezieher, der auf persönliche Assistenz angewiesen ist und der seine persönliche Assistenz durch mehrere geringfügige Beschäftigungen absichert. (Abg. Rosemarie Bauer: Aber zugunsten dessen, der ihn pflegt!)

Ich frage mich: Was ist der Grund dafür, daß Sie behinderten Menschen seit drei Jahren keine Valorisierung beim Pflegegeld zugestehen, was de facto einen jährlichen Verlust von 2 bis 3 Prozent bedeutet, während Sie sie gleichzeitig dafür, daß sie geringfügige Beschäftigungsverhältnisse haben, zusätzlich mehr oder weniger mit dem Holzhammer treffen, indem Sie die Lohnnebenkosten, sprich die Dienstgeberabgaben, zusätzlich von ihnen einfordern?

Sie verkaufen diese Lösung als eine wichtige Entscheidung, die der Bund getroffen hat und die der Bund natürlich finanziert. Das stimmt aber nicht. Sie haben den behinderten Menschen die Kosten aufgebürdet! Behinderte Menschen sind selbstverständlich für die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der geringfügig Beschäftigten im persönlichen Assistenzbereich, aber mit Kostenabdeckung durch den Bund.

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie weit Sie die Entwicklung des Pflegegeldes in den letzten Jahren nachvollzogen haben. Ich habe das sehr genau gemacht. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß die Auszahlungen der Pflegegelder von 1995 auf 1996 um 634 Millionen Schilling zurückgegangen sind. Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, daß Sie 1994 16 243 Millionen Schilling an Bundespflegegeldern ausbezahlt haben, 1996 waren es nur mehr rund 16 Milliarden Schilling, also um 230 Millionen Schilling weniger. Gleichzeitig ist die Anzahl der österreichischen PflegegeldbezieherInnen um 10 370 gesunken.

Sie haben 1993 mit Einführung des Pflegegeldes den Sozialversicherungsbeitrag für Dienstgeber, Dienstnehmer und Pensionisten jeweils um 0,5 Prozent mit der Begründung erhöht, dies diene zur Absicherung und Finanzierung des erhöhten Pflegegeldes. Die Pflegegelder sind zurückgegangen – das habe ich Ihnen jetzt bewiesen –, die Prozentsätze jedoch nicht. Das heißt, die Einnahmen sind gleichgeblieben beziehungsweise gestiegen. Wo ist das Geld bitte, das damals konkret für die Pflegesicherung eingeführt worden ist? Wo sind denn die Überschüsse? Wer verwendet unsere Überschüsse?

Frau Ministerin! Herr Minister! Diese Frage möchte ich beantwortet haben. Wir behinderte Menschen werden es nicht zulassen, daß Sie diese damals ganz klar für die Pflegevorsorge eingeführten Beträge verwenden, um andere Budgetlöcher zu stopfen. Dazu waren sie nicht gedacht, und wenn Sie das machen, ist das ein Mißbrauch von Steuergeldern! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Das Pflegegeld ist eine Leistung des Staates und nicht durch Beiträge bezahlt!)

Sie haben beschlossen, daß es mit 1. Jänner 1998 eine Weiterversicherung für pflegende Angehörige gibt und der Dienstgeberbeitrag über den Bund finanziert werden soll. Der Grundsatz, in diese Richtung zu gehen, ist völlig richtig. Aber, meine Damen und Herren, ich frage Sie: Glauben Sie ernsthaft, daß, wenn jemand pflegebedürftig und in der Pflegestufe 7 ist und rund um die Uhr Betreuung braucht, das von einer einzigen Person abgedeckt werden kann? Glauben Sie ernsthaft, daß Sie mit diesem Weiterversicherungssystem einem pflegenden Angehörigen eine Betreuung von 744 Stunden monatlich, 24 Stunden täglich um den Hals hängen können? Unabhängig davon, daß das arbeitsrechtlich durch nichts gedeckt ist, ist es auch menschlich niemals leistbar. Kein Mensch kann 24 Stunden täglich arbeiten!

Warum lassen Sie es nicht zu, daß PflegegeldbezieherInnen nicht nur eine Person auf Basis der Weiterversicherung anstellen können, sondern vielleicht fünf oder sechs Personen, damit im Schnitt im Monat niemand über 140, 160 Stunden arbeiten muß und sichergestellt ist, daß im


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