Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 95. Sitzung / Seite 120

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Herr Haider sagt, es gibt Eingriffe bei den ASVG-Pensionisten, bei den Beamten und bei den Politikern, die darauf hinauslaufen, daß die Jungen sozusagen diskriminiert werden und die Alten ihre Privilegien behalten. Das ist ja im Prinzip seine Grundaussage gewesen, zumindest einer der markanten Sätze.

Ich bin ja schon zufrieden oder dankbar, daß wenigstens klargestellt wird, daß wir ein Sachproblem haben, das alle drei Berufsgruppen – die ASVG-Versicherten, die Beamten und die Politiker – betrifft und das lautet: Wie schauen die Möglichkeiten von gerechtfertigten Eingriffen in bestehende Verhältnisse aus, und wie steht es mit dem Vertrauensgrundsatz?

Meine Damen und Herren! Wir haben bei dieser Politikerrunde viele Nächte lang auch heftig darüber debattiert und gestritten, was zumutbar ist, wann der Vertrauensgrundsatz tatsächlich erschüttert ist. Wann ist es denn ein "wohlerworbenes Recht"? Und wann ist der bestehende Vertrag und das bestehende Dienst- oder Pensionsverhältnis unantastbar?

Das wird immer eine Frage bleiben, die eines großen Fingerspitzengefühls bedarf. Man wird nie eine klare und sozusagen selbstverständliche logische Linie finden. Wir werden uns in dieser Frage auch immer schwertun.

Ich glaube aber auch, daß wir eines feststellen müssen: Vielleicht haben wir es uns, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, bei diesen Verhandlungen etwas zu leicht gemacht. Vielleicht haben wir doch allzuviel Scheu vor diesen bestehenden Rechten, vor den "wohlerworbenen Rechten" oder, wie hier interpretiert wird, vor den Privilegien gezeigt. Das mag möglich sein. Vielleicht werden wir diese Debatte wieder aufnehmen müssen.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß es ein allzu starkes Auseinanderklaffen in den Ruhebezügen von Bürgern ein und desselben Landes nicht geben darf, wenn wir diese Gesellschaft nicht spalten wollen. Ich glaube, daß wir wirklich erkennen und auch anerkennen müssen, daß die Differenz zwischen einer ASVG-Pension mit 28 000 S im Höchstmaß und 180 000 S und mehr für andere diesem Anspruch nicht gerecht wird – und nicht gerecht werden kann. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich glaube daher, meine Damen und Herren, ohne daß wir Neid schüren, ohne daß wir den einen gegen den anderen ausspielen wollen, ohne daß wir das Gesprächsklima zusätzlich durch Verbalinjurien hier noch belasten, daß wir dieses Thema aufgreifen und nicht warten sollten.

Natürlich, Herr Klubobmann Kostelka, wissen wir, daß es noch viele, viele Bereiche gibt, in denen es Privilegien gibt, die immer mit denselben Argumenten verteidigt werden: "wohlerworbene Rechte" und "Eingriff in bestehende Verträge". Wenn wir uns in wenigen Tagen zu einem Konsilium zusammensetzen, um eine dieser Gruppen wieder zu beraten und zu hören, welche Fortschritte es beispielsweise in bezug auf die Pensionsprivilegien der Nationalbank gibt, dann bin ich unter anderem darauf gespannt, wie weit es den Direktoriumsmitgliedern und dem Herrn Präsidenten durch mühevolle Einzelverhandlungen gelungen ist, diese Symmetrie, die wir uns gewünscht haben, herzustellen. Wir haben uns schon damals darauf verständigt, daß wir dann, wenn diese Symmetrie nicht ausreicht, auch darüber beraten werden, von diesem Haus aus notwendige Weichenstellungen vorzunehmen. Und dabei, meine Damen und Herren, sollten wir bleiben.

Wir sollten ein Signal setzen, wir sollten ein Zeichen geben und sagen, daß wir wissen, wie empfindlich der Rechtsstaat reagiert, wie schnell er angegriffen, wie schnell das Vertrauen erschüttert ist. Daher glauben wir, daß der Vertrauensgrundsatz ein wirklich wichtiges und zu verteidigendes Gut ist. Wir sollten aber auch sagen, daß die reflexartige Verteidigung hinter dem Vertrauensgrundsatz nicht ausreicht, wenn berechtigte Zweifel daran bestehen, ob die hier gewährten Rechte "wohlerworben" sind, ob sie tatsächlich der Verhältnismäßigkeit mit anderen entsprechen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich möchte noch eine Bemerkung machen, weil mir das ein Anliegen ist: Ich glaube, das, was sich zurzeit in den Ländern abspielt, Herr Klubobmann Khol, ist genau das, was ich prophezeit habe. Du wirst dich vielleicht daran erinnern: Ich habe dir prophezeit, wenn wir die Regelung so


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