Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 96. Sitzung / Seite 66

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Landeshauptmann spricht von Menschen, "denen man ihre Abstammung ansieht" (Abg. Großruck: Na, na! Ratzenböck in Richtung Antisemitismus zu bringen, das ist stark!) , ein Vizebürgermeister von "Glaubensgenossen, die vor 2000 Jahren in einem Schauprozeß Jesus Christus zum Tode verurteilen ließen". Vor 1986 war man diskreter: ein Wahlplakat: "Dr. Josef Klaus – ein echter Österreicher", implizierend: kein Jude wie Kreisky. Oder man verbreitete, antisemitische Ressentiments nutzend, der politische Gegner sei jüdischer Abstammung, wie man es bei meinem Vater tat.

Meine Damen und Herren! Vorgestern war der 59. Jahrestag der Reichskristallnacht. Wir sind es den Opfern schuldig, nach mehr als einem halben Jahrhundert Trauerarbeit zu leisten. Wir müssen Bewußtsein und Wachsamkeit für menschenverachtendes, demokratiefeindliches Verhalten schärfen, und daher begrüße ich die Einführung des Gedenktages, der symbolträchtig am 5. Mai sein soll, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen, einem Lager, in dem rassisch, politisch, religiös Verfolgte sowie andere Diskriminierte entwürdigt, gequält und getötet wurden.

Neben Österreichern wie Eichmann, Kaltenbrunner, Globocnik, Murer und anderen grausamen Verbrechern stand das andere Österreich: jene Heldinnen und Helden, auf die wir mit Recht stolz sein können, die sich, Freiheit und Leben riskierend, dem Terror widersetzten, um lebensrettend anderen zu helfen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Brinek. )

Hohes Haus! Nach Jahrzehnten des Schweigens war es befreiend, als Bundeskanzler Dr. Vranitzky als erster österreichischer Regierungschef auf die Täterrolle Österreichs einging und sich bei den Opfern entschuldigte. (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.) Damit hat er viel für unser Geschichtsbewußtsein und Ansehen in der Welt geleistet. Er führte Österreich aus der Isolation, in die es sich durch eine antisemitisch geführte Wahlauseinandersetzung, die Erinnerungen an die Shoa sowie Existenzängste wach werden ließ, begeben hatte. Dafür schulden wir Dr. Vranitzky großen Dank! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich halte Dr. Waldheim nicht für einen Kriegsverbrecher, nur für einen Durchtaucher, Wegschauer und Verdränger. Seine Weigerung, in der Gedenkstätte Yad Vashem den Kopf zu bedecken, war provokant verletzend und wie viele seiner Aussprüche antisemitisch zu verstehen.

Antisemitismus kennt einen euphemistischen Namen: Antizionismus. Mir mißfällt Netanyahus Politik. Doch bei vielen antizionistischen Äußerungen frage ich mich: Wie verhielten sich diese Antizionisten und ihre Familien während der Shoa?

An diesem Platz hier wird häufig betont, daß man ein Christ, daher anständig sei, wohl implizierend, Nichtkatholiken, Nichtchristen seien minderwertig.

Hohes Haus! Politiker haben eine hohe Verantwortung. Verunglimpfungen, Herabwürdigungen und Diskriminierungen sind der Grundstein solcher Katastrophen. Den anderen zu verstehen und zu lieben, ist nicht jedermann möglich, wohl aber, ihn zu tolerieren und zu achten. Wir sind es den Opfern schuldig, mit diesem Gedenktag zu Besinnung und Toleranz aufzurufen, damit sich nicht Santayanas Ausspruch bewahrheitet, daß diejenigen, die sich der Vergangenheit nicht erinnern, dazu verdammt sind, sie zu wiederholen, und wieder einer sagen muß: Was einmal wirklich war, bleibt ewig möglich. (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

15.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Meischberger. Freiwillige Beschränkung der Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

15.32

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Budgetdebatte, vor allem das Kapitel Bundeskanzleramt, bietet eine der wenigen Gelegenheiten im Jahr, über Medienpolitik insgesamt beziehungsweise zumindest konzentriert auch die Presseförderung zu diskutieren.


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