Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 99. Sitzung / Seite 82

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Herr Minister! Ich sehe aber auch – das erlaube ich mir, hier zu sagen – Ihren schriftlichen Antworten vom Budgetausschuß mit Interesse entgegen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.07

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Motter. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.07

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Kapitel "Jugend und Familie" des Budgetentwurfes ist vorgesehen, daß den Familienberatungsstellen 1998 mehr Mittel zur Verfügung stehen – eine alte Forderung von uns Liberalen; wir begrüßen diese Zusatzmittel. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Was wir allerdings nicht nachvollziehen können, ist, wofür diese Mittel eingesetzt werden. Es ist für uns nicht einsichtig, daß sich die Familienberatungsstellen vermehrt um die Sektenberatung kümmern sollen und in jedem Bundesland dafür eine eigene Beratungsstelle ausschließlich für Sektenfragen eingerichtet werden soll.

Abgesehen davon ist unserer Ansicht nach eine Sektenberatung, wie Sie sie sich vorstellen, Herr Bundesminister, sowohl inhaltlich als auch methodisch mehr als umstritten, und die Idee, Sektenopfer zu einer Beratungsstelle zu holen, ist in England bereits als sinnlos erkannt worden. Dort wurde nach dieser Erkenntnis eine Dokumentationsstelle für neue religiöse Vereinigungen eingerichtet, die potentiellen und aktiven Sektenmitgliedern objektives Informationsmaterial und Aufklärung über Gefahren und Risken ohne sozialen Druck zur Verfügung stellt. Ich glaube, das wäre auch eine Anregung, Herr Minister, mit der Sie sich auseinandersetzen sollten.

Worum es mir aber konkret geht, ist, daß da Geld investiert werden soll, das wir in dringenderen Fällen zur Beratung brauchen. Frau Familiensprecherin der ÖVP! Ganz so rosig, wie Sie die Familienberatungsstellen darstellen, wie sie arbeiten, sehe ich das nicht! Sie könnten arbeiten, wenn sie mehr Mittel hätten. Ich glaube, das muß auch ganz offen gesagt werden.

Wir brauchen Mittel, denn wir wissen, Fälle von Kindesmißbrauch, Gewalt in der Familie oder Probleme bei Trennung der Partner lassen den Bedarf an Beratung und Betreuung ständig steigen.

Meine Damen und Herren! Wir wissen, daß allein die jährliche Dunkelziffer der Mißbräuche an Kindern auf 24 000 Übergriffe geschätzt wird. Das heißt, jedes dritte Mädchen und jeder zehnte Bub wäre demnach irgendwann in seiner Kindheit Opfer eines sexuellen Mißbrauchs geworden. Ich hoffe, wir sind uns alle im klaren darüber, daß den Opfern und den Tätern jede Hilfe angeboten werden muß. Dennoch müssen momentan die Beratungsstellen um ihr Überleben kämpfen, da es massive Finanzprobleme gibt. Bereits heute muß man auf einen Gesprächstermin zwei Wochen und auf einen Therapieplatz sogar ein bis zwei Monate warten. Herr Minister! Ich fordere Sie daher auf, Ihr Faible für die Sektenberatung noch einmal zu überdenken und zu überlegen, ob es im Bereich der Beratungsstellen nicht dringendere Probleme gibt!

Weiters möchte ich auf die Situation der Kinderbetreuung zu sprechen kommen. Wie Sie aufgrund der 283 Anträge, die bisher eingebracht wurden, wissen, ist das Angebot besonders bei den unter Dreijährigen zu gering, und zwar in allen Bundesländern, wobei ein Ost-West-Gefälle zu verzeichnen ist; im Westen sind noch weniger Betreuungsplätze vorhanden. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, daß die gewährten Zuschüsse vor allem an öffentliche Kindergärten gehen. Private Kindergärten, Tagesmütter beziehungsweise Tagesväter oder sonstige Institutionen werden kaum gefördert.

Meine Damen und Herren! Solange gesellschaftspolitisch die partnerschaftliche Familienarbeit noch nicht etabliert ist – wobei wir uns wünschen, daß hier rasche Fortschritte gemacht werden –, brauchen wir Kinderbetreuungseinrichtungen, die die absoluten Mindesterfordernisse erfüllen, damit auch Frauen einer Beschäftigung nachgehen können. Wir Liberalen bekennen uns – im Gegensatz zu manch anderen Fraktionen hier im Hohen Haus – dazu, daß Frauen, die


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