Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 99. Sitzung / Seite 87

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Frau Kollegin Bauer! Lassen Sie die Antwort auf diese Frage oder auf diese Vermutung von mir doch jemand anderen geben! Der Herr Familienminister konnte diese Annahme bei einer entsprechenden Frage von uns in der Aktuellen Stunde jedenfalls nicht dementieren, sondern er vertrat sehr wohl die Meinung, daß die Subventionen dann möglicherweise zurückgenommen werden müßten. – Der Kinderbetreuungsscheck ist eine konservative Antwort auf die Probleme der Kinderbetreuung, die sich gegen die Frauen richtet, und darum werden wir einer solchen Lösung nicht zustimmen, weil diese keinen Fortschritt darstellt, sondern damit die Frauen zurück in ihr Heim und an den Herd gebracht werden sollen. (Beifall bei den Grünen.)

Damit bin ich bei der nächsten Frage, der Familienbesteuerung: Abgeordneter Khol hat in einer Replik zu den Aussagen des Herrn Kostelka in einem "Standard"-Artikel die rhetorische Frage gestellt: Ist jedes Kind dem Staat steuerlich gleich viel wert? – Herr Abgeordneter Khol! Sie wissen genausogut wie ich, daß der Verfassungsgerichtshof nicht geantwortet hat, daß jedes Kind steuerlich gleich viel wert sein soll, sondern daß der Verfassungsgerichtshof klar sagt: Wer einen höheren Aufwand für Kinder betreiben muß, weil er einer höheren Einkommensschicht angehört, der muß auch mehr steuerliche Kompensation erhalten. (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer. ) Selbstverständlich! Wenn Sie das nicht wissen, dann haben Sie dieses Urteil nicht gelesen, Frau Abgeordnete Bauer! Das ist die Antwort des Verfassungsgerichtshofes.

Problematisch ist aber eigentlich nicht das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, sondern das fehlende Unterhaltsrecht in diesem Bereich. Es wurde dies über lange Zeit hinweg als Richterrecht tradiert, in welchem die sozialen Antworten schon vorgegeben sind. Gemäß diesem Unterhaltsrecht kommt es klarerweise dazu, daß es erstens für Kinder aus einkommensstarken Schichten mit hohem Einkommen mehr Förderungen gibt und man zweitens für ältere Kinder mehr Förderung erhält als für jüngere. Daraus ergibt sich auch, daß ein gut Teil der Österreicherinnen und Österreicher, die jung sind, von diesen steuerlichen Förderungsmöglichkeiten ausgeschlossen sind, denn ein gut Teil der jungen Österreicherinnen und Österreicher werden mit 15, 16 oder 17 Jahren berufstätig und haben nicht die Möglichkeit, die steuerliche Förderungsmöglichkeit bis zum 27. Lebensjahr zu genießen.

Herr Abgeordneter Khol! Darum muß auch Ihnen klar sein, daß es notwendig wäre, auf diese Fragen ganz andere Antworten zu geben. Darum verweigern Sie die Antwort auf diese Frage beziehungsweise können nur die rhetorische Frage stellen, die Sie im "Standard" gestellt haben: Ist jedes Kind steuerlich gleich viel wert? Sie können darauf aber keine Antwort geben, denn sonst müßten Sie ehrlicherweise sagen: Wir von der ÖVP wollen, daß jedes Kind steuerlich nicht gleich viel wert ist, weil wir dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in der vorgeschlagenen Form entsprechen wollen. Sie wissen aber genau, daß Sie diese Antwort in der Öffentlichkeit nicht geben können und dürfen, weil Sie dann eine öffentliche Debatte in Kauf nehmen müßten, bei welcher Sie wahrscheinlich nicht sehr gut aussteigen werden! Sie würden sicher nicht so gut aussteigen, als wenn Sie nur eine rhetorische Frage stellen. Denn da kann man sich immerhin noch vorstellen, daß es Ihnen um Gleichheit geht, die Sie aber weder meinen noch intendieren. Und weil Sie das wissen, stellen Sie nur rhetorische Fragen und versuchen, einen Kompromiß zu erreichen, der in keiner Weise – das gilt auch für Ihr Modell, Herr Minister! – dazu geeignet ist und auch nicht geeignet sein kann, dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu entsprechen!

Wenn Sie nichts ändern, können Sie als Maximum erreichen, daß wieder ein neues Modell mit Absetzbeträgen und Familienbeihilfen hier ins Parlament eingebracht wird, gegen das in zwei oder drei Jahren wieder geklagt werden wird. Das müßten Sie riskieren. Das ist zuwenig, das ist keine ehrliche und saubere Antwort! Wir brauchen ein neues Unterhaltsrecht. Die Steuern sollten zur vertikalen Umverteilung genützt werden. Ich stehe dazu – und es wurde auch von allen hier in diesem Haus gesagt –: Die Kinder sollten dem Staat gleich viel wert sein, aber nicht steuerlich! (Beifall bei den Grünen.)

14.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite