Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 101. Sitzung / Seite 13

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Herr Bundeskanzler! Sehr klar hat Bundeskanzler Kohl das gesagt. "Neue Zürcher Zeitung" vom 14. November 1997: "Am Donnerstag hat Bundeskanzler Helmut Kohl in einer Regierungserklärung im Bundestag dargelegt, daß Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit in erster Linie nationale und nicht europäische Aufgaben darstellten." (Abg. Mag. Stadler: Da schau her!)

Endlich einmal ein wirklich klares Wort, Herr Bundeskanzler! Es ist auch völlig klar: Bei einem Budget von 1 300 Milliarden Schilling, das zur Hälfte durch den Agrarbereich verbraucht wird, kann Europa keine Beschäftigungsinitiativen setzen. Das muß der Nationalstaat machen, und das müssen auch Sie, Herr Bundeskanzler, mit Ihrer Regierung machen. Das muß ein österreichischer Wirtschaftsminister und ein österreichischer Finanzminister machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie alle glauben, daß Sie dieses Problem, weil es unangenehm ist, nach Europa abschieben könnten. Herr Bundeskanzler! Die Frage der Beschäftigung wird immer zusammen mit der Frage der Währungsunion diskutiert. Die zentrale Frage, die sich viele Nationalökonomen stellen, lautet: Bringt die Währungsunion einen zu erwartenden Beschäftigungseffekt?

Dazu ein paar Zitate, Herr Bundeskanzler. Manfred Neumann von der Universität Bonn: Wer glaubt, der Euro schaffe Arbeitsplätze, ist ein Illusionist. Kurzfristig kann die Arbeitslosigkeit sogar ansteigen.

Oder: Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitiert das Münchener Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung: Übertriebene Hoffnungen auf beschäftigungsfördernde Effekte an die Währungsunion zu knüpfen, wäre schlecht und nicht zeitgemäß.

Die Wirtschafts- und Währungsunion wird die Beschäftigungsschwierigkeiten in Europa nicht lösen, sagt Michael Mussa, der Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds.

Die Währungsunion ist ein Vorhaben ohne ökonomische Vernunft, sagt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" in ihrer Ausgabe vom 18. Dezember.

Herr Bundeskanzler! Da könnte man sagen, diese Deutschen sehen das zu pessimistisch. Aber selbst die "Solidarität", die Zeitschrift des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, meint: "Sofort nach Einführung des Euro wird es zwar wieder zu Lohneinbußen kommen, doch fünf Jahre danach sollen es im besten Fall 20 000 bis 25 000 Arbeitsplätze mehr sein." – Herr Bundeskanzler! Sie haben uns an sich schon vor dem EU-Beitritt versprochen, es werden 50 000 Arbeitsplätze mehr sein. Aber 35 000 weniger sind es geworden.

Herr Bundeskanzler! Es gibt einen Satz, den man landläufig sagt: "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht." (Beifall bei den Freiheitlichen.) Herr Bundeskanzler, ich unterstelle nicht, daß Sie lügen. Aber das ist in etwa die Diktion, die man hier anwenden müßte. (Abg. Mag. Stadler: Wo ist der ÖGB-Chef? – Zwischenruf des Abg. Schieder. )

Herr Bundeskanzler! Die Frage ist, wie Sie als Chef der österreichischen Regierung und Sie als Regierungsparteien die Stirn haben können, zu meinen, der Euro schaffe nachhaltige Beschäftigung. Woher nehmen Sie diese Weisheit? Glauben Sie das wirklich?

Wenn jemand ein Produkt oder eine Dienstleistung erarbeitet, diese verkauft und in Schilling, Lire oder D-Mark bezahlt bekommt, dann hat er diese Leistung mit einem Gegenwert an den Mann gebracht und kann mit dem Geld wieder Dienstleistungen oder Produkte kaufen. Herr Bundeskanzler, glauben Sie wirklich, daß das deswegen, weil statt dessen ein Euro im Spiel ist, der die 45 000 Dienstleistungsplätze bei Banken auf 32 000 reduziert, Beschäftigungspolitik ist und daß das machbar ist? Herr Bundeskanzler! Außerdem kommt in Ihrer sogenannten Werbung, in den Werbespots der Regierung pausenlos der US-Dollar ins Spiel. Da wird gesagt: Was der US-Dollar kann, soll Europa auch können.

Herr Bundeskanzler! Das ist ökonomisch unredlich. Es ist deswegen ökonomisch unredlich, weil die USA einen total mobilen Arbeitsmarkt haben, weil in den USA eine einzige Sprache gesprochen wird, weil 17 Prozent der Bevölkerung jährlich den Arbeitsplatz beziehungsweise den


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