Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 101. Sitzung / Seite 49

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Meine Damen und Herren! Das ist nicht das Beispiel, das Österreich in Europa geben soll. Es ist auch kein gutes Beispiel, wenn Sie immer nur vollmundig erklären und mit Ankündigungen hinausgehen wie: Wir zeigen den anderen Ländern in Europa, wohin es sozial- und beschäftigungspolitisch gehen soll! Wir haben Vorstellungen, die weit über das hinausgehen, was die anderen europäischen Länder haben wollen! Wir sind beispielgebend! – Diese Politik des Schulterklopfens und Händeschüttelns zahlt sich auf Dauer nicht aus, meine Damen und Herren. Da müssen Konzepte her, da müssen Inhalte her, die überzeugend sind, und zwar nicht nur für die Menschen in diesem Land, sondern auch für Verantwortlichen in den anderen Ländern Europas. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Es geht im wesentlichen darum, daß dieses Projekt Europa nicht nur Chancen, sondern auch enorme Risken in sich birgt. Und wir sollten, wenn wir uns darüber unterhalten, auch über die Risken reden. Eines dieser Risken ist auch in der Anfrage der Freiheitlichen beschrieben, ist aber meiner Ansicht nach unzureichend beantwortet worden: die Auswirkungen einer einheitlichen europäischen Währung auf die Lohnpolitik.

Klar ist, daß zwar nicht in erster Linie Österreich und auch nicht Deutschland, aber andere Länder lohnpolitisch enorm unter Druck kommen werden, vor allem die weniger entwickelten Länder, jene Länder in diesem EU-Europa mit den geringeren sozialen Standards, die Länder, in denen die Gewerkschaften nicht mit den Arbeitgebern kooperieren, sondern eher auf Konflikt ausgerichtet sind, die Länder, in denen die Gewerkschaften weniger zu sagen haben.

Meine Damen und Herren! Das ist kein unerhebliches Thema. Es ist auch nicht unerheblich, was von Wirtschaftsseite darüber gedacht wird. Ich möchte Ihnen aus einem Beitrag vorlesen, den Herr Wolfgang Franz über die Schattenseiten des Euro in der "Neuen Zürcher Zeitung" vom 16. November geschrieben hat. – Da ist von einem heilsamen Druck auf die Tarifvertragsparteien die Rede und davon, daß der Euro den Wettbewerb der sozialen Sicherungssysteme verstärken wird.

Das sind Szenarien, die nicht unwahrscheinlich, sondern sehr realistisch im Hinblick auf unsere Zukunft sind. Auch wir werden uns in wenigen Jahren wahrscheinlich darüber unterhalten müssen, wie dieses soziale Sicherungssystem umgebaut, ausgebaut, verbessert und verändert werden kann, und wir werden das auch unter dem Druck einer einheitlichen europäischen Währung und der dadurch möglich gewordenen sozialen und lohnpolitischen Implikationen tun müssen.

Ich sage Ihnen, es wäre notwendig, hier eine andere Debatte zu führen als die, die wir gerade führen. Es ist natürlich nicht möglich, sie von seiten der Freiheitlichen Partei ernsthaft so zu führen, als ob man auf der einen Seite hier wirklich die Interessen der Betroffenen, der Beschäftigten, der Unternehmer in Österreich vertreten würde, während man auf der anderen Seite einem Götzen wie dem Stabilitätspakt dieses neuen Europa huldigt, der genau diese Beschäftigungspolitik, genau diese Absicherung sozialer Standards verhindern wird, der sie nicht möglich machen wird, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! (Abg. Ing. Reichhold: Das ist eine Unterstellung! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir können uns ja dieses Europaszenario anschauen, wir können voraussagen, was es bedeuten wird, wenn es einen Stabilitätspakt geben wird. Diesbezüglich habe ich bei weitem nicht die Hoffnungen, die Sie von den Freiheitlichen mit einem Stabilitätspakt offensichtlich verbinden, sondern ich habe diesbezüglich eher pessimistische Befürchtungen.

Sie können nicht hier herausgehen und einerseits vorgeben, die Interessen jener zu schützen, die bei diesem Europrojekt unter die Räder kommen könnten, und auf der anderen Seite einem Stabilitätspakt huldigen, der über die Menschen mit einer Dampfwalze drüberfährt. Das ist Ihr Problem, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Dieser Debatte sollten Sie sich auf ehrliche Weise stellen, aber diese Debatte führen Sie nicht und wollen Sie nicht führen, weil Sie auf diesem Gebiet andere Interessen vertreten, die Sie geschickt kaschieren, indem Sie auf die Unfähigkeit der Regierungspolitik verweisen. Diese Regierung war in den letzten Jahren in keiner Weise in der Lage, den Menschen in diesem Land die Auswirkungen, und zwar auch die


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