Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 102. Sitzung / Seite 27

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Ich sage Ihnen: Das ist ein derart gravierender Fehler, daß es allein dieser Punkt annähernd unmöglich macht, diesem Gesetz zuzustimmen. Nur aus Gründen der Gefälligkeit die Verfassungen der Länder in einem ganz bestimmten Punkt in einem Bundesverfassungsgesetz für beliebig zu erklären, das halte ich für verfehlt.

Ein zweiter Punkt, der uns wirklich sehr stört, ist: Der Österreichische Städtebund und der Österreichische Gemeindebund sind so wertvoll und wichtig, wie sie sind, und sie kommen auch an einer Stelle in der Bundesverfassung vor, aber es sind freiwillige Zusammenschlüsse.

Nunmehr sollen diese freiwilligen Zusammenschlüsse durch die Bundesverfassung in den Rang von Vertragspartnern gehoben werden, die für die Gemeinden Verträge abschließen können, ob die Gemeinden das wollen oder nicht.

Wir waren der Meinung, daß das unsymmetrisch ist, und haben verlangt, daß daher auch die einzelnen Gemeinden den Weg zum Verfassungsgerichtshof gehen können sollen, wenn in der Folge eine Vereinbarung zustande kommt, welche einer einzelnen Gemeinde anfechtungsbedürftig erscheint. Aber das ist nicht vorgesehen. Wiederum nur der Gemeindebund und der Städtebund können allenfalls den Verfassungsgerichtshof anrufen. Wenn Sie in dieser Form mit der Gemeindeautonomie umgehen, denn werden Sie uns Liberale nicht an Ihrer Seite finden.

Noch dazu scheint mir das Ganze in diesem Zusammenhang auch legistisch mißlungen zu sein, denn das, was Sie hier machen, sind Quasi-15a-Verträge. Wir haben im Ausschuß mit den Experten lange genug darüber gesprochen. Es sind keine Artikel-15a-B-VG-Verträge, sondern Quasi-15a-B-VG-Verträge. Die Anfechtungsmöglichkeiten, die Sie einräumen, die Überprüfungsmöglichkeiten, also die Antragslegitimation bezieht sich ausdrücklich auf Artikel 138 Abs. 1 B-VG. In diesem Artikel sind aber nur 15a-Verträge geregelt und nicht das, was Sie neu beschließen. Das heißt, Sie machen in Wirklichkeit eine "Schlaufe", die leerläuft.

Daher meine ich, es wird wohl sehr gut sein, wenn heute nur eine zweite Lesung stattfindet, denn möglicherweise wird bis zur dritten Lesung noch die eine oder andere Besinnung einkehren. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

12.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Freiwillige Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.32

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bis jetzt mehrere Argumente gehört, aber um die Kernfrage hat jeder herumgeredet. Wir haben in Österreich seit 1920 einen bestimmten Aufbau der Verwaltung im Lande, haben die Bundesländer, die Gebietskörperschaften, die Gemeinden. Wir haben eine hypertrophe Zweigleisigkeit in den Verwaltungen, und es ist höchste Zeit, durch eine Bundesstaatsreform in Österreich eine moderne Gliederung einzuführen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die längste Reise beginnt bekanntlich mit einem kleinen Schritt. Das Gesetz, das wir heute beschließen, ist der erste kleine Schritt auf einer langen Reise. Was wir heute machen, ist folgendes: Wir schaffen eine eigene verfassungsgesetzliche Grundlage dafür, daß die Länder und die Gemeinden mit dem Bund Verträge abschließen können. Nur darum geht es. Da kann man jetzt herumrabulistieren und sagen, das sei schlimm, und fragen, ob das 15a oder 15b sei. Meine Damen und Herren! Es ist so einfach (Abg. Mag. Stadler: Um das geht es nicht!) : Bund, Länder und Gemeinden sollen einen öffentlich-rechtlichen Vertrag abschließen können. Sie brauchen das, vor allem die Gemeinden brauchen das. (Beifall bei der ÖVP.)

Das, was die Länder dem Bund vorwerfen, nämlich daß der Bund ständig den Ländern in den Hosensack fährt und ihnen das Geld herausnimmt, ohne sie zu fragen, werfen die Gemeinden den Ländern vor. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Das war ein altes Prinzip des deutschen Föderalismus. Die Bayern waren immer unglaublich föderalistisch gegenüber Bonn und haben ihre Gemeinden nach der Tradition des Grafen Montgelas geknechtet; österreichische Analogien sind mir fremd. Die Gemeinden müssen ihre Rechte bekommen, die Länder müssen ihre


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