Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 104. Sitzung / Seite 62

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Das würde aber bedeuten, daß der Gesetzgeber, die Mehrheit dieses Hauses, den Sozialpartnern wirklich zutraut, was immer behauptet wird, daß sie tun, nämlich eigenständige Lösungskompetenz zu entwickeln. So wird den Sozialpartnern ein Verbot vorgegeben, von dem sie gelegentlich eine Ausnahme machen dürfen. Das ist das Gegenteil von Autonomie und Eigenverantwortung! Das ist die Erlaubnis, ab und zu einmal etwas gestalten zu dürfen, aber im übrigen bleibt es verboten – so nach dem guten österreichischen Grundsatz: Was wir nicht gerne wollen, das verbieten wir einmal generell, und dann kümmern wir uns um die Ausnahmen. Wir sollten statt dessen sagen: Wir lassen es erlaubt und schauen, daß wir es gestalten. Das ist ein signifikanter Unterschied! (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Aus diesen Gründen, so meinen wir, ist das, was im Ausschuß beraten wurde und heute beschlossen werden soll, völlig ungeeignet, das eigentliche Problem zu lösen. Es verspottet sozusagen die Selbstgestaltungsfähigkeit und die Eigenverantwortlichkeit der Akteure und Akteurinnen. Es ist ein krampfhaftes Festhalten an dem, was bisher geschah. Es ist keine Reform, und es ist kein innovatorischer Ansatz. Das ist schade! (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.00

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich möchte als Frau konkret sagen oder man könnte sagen: Wir haben – spät, aber doch – wieder einen Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung beziehungsweise Gleichbehandlung erreicht. Schon die zweite Gleichbehandlungsrichtlinie aus dem Jahre 1976, die die Gleichbehandlung beim Zugang zur Beschäftigung, zur Berufsausbildung, beim beruflichen Aufstieg und bei den Arbeitsbedingungen für Frauen – wahrscheinlich haben es die freiheitlichen Kollegen und Kolleginnen nicht gelesen – zum Gegenstand hat, begründet eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zur Änderung nicht mehr zeitgemäßer innerstaatlicher Rechtsvorschriften im Bereich des Frauenarbeitsschutzes.

Es stimmt sicher nicht, daß das, wie Kollege Gaugg behauptet, nur zu Lasten der Arbeitnehmer geht. Vielleicht hat er den Begriff "Arbeitnehmer" wörtlich aufgefaßt, nämlich den männlichen Arbeitnehmer. Es kann nämlich schon passieren, daß der eine oder andere Arbeitnehmer nunmehr den Arbeitsplatz an eine Frau abtreten sollte, könnte oder muß.

Artikel 5 der Gleichbehandlungsrichtlinie stellt fest, daß die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes hinsichtlich der Arbeitsbedingungen ohne Diskriminierung des Geschlechts zu erfolgen hat. In Österreich arbeiten derzeit zirka 163 000 Männer und an die 50 000 weibliche Beschäftigte ständig in der Nacht. Untersuchungen zeigen, daß Abend- und Nachtarbeit – nicht die Schichtarbeit – zunehmen. Das bedeutet, daß es eine Zunahme von neuen Arbeitsplätzen gibt, die bislang Frauen aufgrund des Nachtarbeitsverbotes verwehrt waren. So konnte man – so kann man das auch sagen – Ausgrenzungspolitik in der Arbeitsmarktpolitik betreiben.

Ich glaube, daß es an der Zeit ist, daß das Gesetz aus dem Jahre 1919 nunmehr eine Novellierung, die es zum Beispiel auch schon in den Ländern Schweiz, Deutschland und Schweden gibt, erfährt. Ich finde es gut, daß durch Kollektivvertragslösungen allgemeine Ausnahmen vom Nachtarbeitsverbot für Frauen zugelassen werden, daß beide Geschlechter einbezogen und auch geeignete Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Ausgleichsmaßnahmen müssen sowohl für Männer als auch für Frauen gelten, und der Kollektivvertrag muß dabei allerdings nicht darauf beschränkt sein, einen bloßen Rahmen vorzugeben, sondern er selbst kann auch konkrete, für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen entgegenkommende Regelungen enthalten.

Ich habe hier einen Auszug aus der "Emma", einer feministischen Zeitschrift, aus dem Jahr 1991, und da steht: Schluß mit der Doppelmoral! In dieser Zeit wurde in Deutschland eine Uraltforderung der Feministinnen erfüllt, das Nachtarbeitsverbot wurde aufgehoben. Ich sage das deshalb, weil es immer den Anschein hat, als ob Frauen diesbezüglich benachteiligt wären. Es mag sein, daß das das eine oder andere Mal der Fall ist, aber die Praxis zeigt, daß es auch Frauen gibt, die sehr wohl dank ihrer qualifizierten Ausbildung selbst bestimmen möchten, in


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