Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 104. Sitzung / Seite 176

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Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Schlögl. – Bitte, Herr Minister.

20.24

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich kann vieles, was hier an Kritik geäußert wurde, in keiner Weise teilen, und meiner Ansicht nach ist diese Kritik in manchen Bereichen sehr überzogen. Ich möchte versuchen, jetzt meinen Standpunkt und meine Sicht der Dinge darzustellen.

Richtig ist – das ist von einer Vielzahl von Abgeordneten gesagt worden –, daß wir uns einer Internationalisierung der Kriminalität in einem Ausmaß gegenübersehen, wie es in den letzten Jahren uns allen nicht bewußt geworden ist. Die internationale Kriminalität, das organisierte Verbrechen hat die besten Experten, die besten Wissenschaftler, die beste Technik und anscheinend unermeßliche Geldmittel zur Verfügung. Die Geldmittel, die sie mit dem organisierten Verbrechen gewinnt, werden neuerlich für Verbrechen eingesetzt. Darum muß jedem von uns bewußt sein, daß ein Land allein nicht erfolgreich gegen die organisierte Kriminalität arbeiten kann, und darum denke ich, daß es notwendig und wichtig war, daß im Juli 1995 die Mitgliedstaaten der Europäischen Union dieses europäische Polizeiamt eingerichtet haben.

Welche Aufgaben hat dieses europäische Polizeiamt? – Das Ziel von EUROPOL ist, die Zusammenarbeit zur Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus, des Drogenhandels und aller Formen der internationalen organisierten Kriminalität zwischen den Behörden der europäischen Staaten zu verbessern. EUROPOL ist also nach seiner Konzeption als eine Zentralstelle für den polizeilichen Informationsaustausch und für die Verbrechensanalyse gedacht. Durch die Einrichtung von EUROPOL wird – davon bin ich überzeugt – die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit verbessert werden.

Selbstverständlich, Frau Abgeordnete Stoisits, gibt es diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Aber viele von Ihnen erliegen einer Illusion, wenn sie glauben, daß diese immer funktioniert. Ich möchte vorschlagen – und werde mir auch erlauben, diese Einladung auszusprechen –, daß Vertreter des Innenausschusses aus allen Parteien nächstes Jahr gemeinsam mit mir als Minister EUROPOL besuchen, um sich in Den Haag vor Ort darüber zu informieren und auch zu sehen, welche Schwierigkeiten es im Informationsaustausch gibt und wie schwerfällig und träge es sich gestaltet, notwendige Informationen von einem anderen Land zu bekommen.

Zum nächsten Punkt, der für mich ebenfalls sehr wichtig ist: Ich sehe nicht die Gefahr des "gläsernen Menschen", wie sie hier dargestellt wurde. (Abg. Dr. Schmidt: ... in fünf Jahren!) Überhaupt habe ich manchmal das Problem, daß gerade diejenigen, die den "gläsernen Menschen" darstellen – Frau Abgeordnete Schmidt –, in der alltäglichen politischen Praxis mit dem politischen Gegner nicht so sanft umgehen (Abg. Dr. Schmidt: Das passiert uns schon!) und daß vieles, was sie in der Theorie darlegen, in der Praxis dann ganz anders aussieht. Ich sehe den "gläsernen Menschen" vor allem deshalb nicht, weil es nicht möglich sein wird, daß EUROPOL unkontrolliert Daten ermittelt und daß Daten unkontrolliert miteinander verwoben werden. EUROPOL hat keine exekutiven Befugnisse und wird auch nach dem Vertrag von Amsterdam keine exekutiven Befugnisse haben. Es ist eine Mär, wenn jemand behauptet, daß es nach dem Vertrag von Amsterdam exekutive Befugnisse geben werde.

Was wird es nach dem Vertrag von Amsterdam geben, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Im wesentlichen vier Punkte: EUROPOL soll ermöglicht werden, die Vorbereitung spezifischer Ermittlungsmaßnahmen der zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten zu unterstützen und die Koordinierung und Durchführung solcher Ermittlungsmaßnahmen zu fördern. Exekutive Befugnisse werden nach dem Vertrag von Amsterdam den Beamten nicht eingeräumt.

Zweitens: EUROPOL soll es ermöglicht werden, die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu ersuchen, Ermittlungen in speziellen Fällen vorzunehmen, wenn EUROPOL von Trends beispielsweise international organisierter Kriminalität erfährt.


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