Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 106. Sitzung / Seite 45

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Zum Lehrlingspaket gäbe es eine Menge zu sagen. Das letzte Reformpaket war jedenfalls ein Flop. Lehrstellen kann man nicht kaufen, ohne daß die nächsten Schulabgänger und Schulabgängerinnen dafür die Rechnung präsentiert bekommen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)  – Ich komme schon zum Schlußsatz, Herr Präsident.

Wenn ich der Bundesregierung und auch den anderen hier in diesem Haus vertretenen Parteien ein grobes Versäumnis vorhalte, so ist es jenes, daß sie nicht bereit sind, unserem Vorschlag für eine angemessene Grundsicherung näherzutreten und diesbezüglich umzudenken. Wir können hier diskutieren, was wir wollen: Das Erreichen der Vollbeschäftigung für alle wird auch in Österreich in Zukunft wohl Illusion sein. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

10.45

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum einen ist es seitens der Österreichischen Volkspartei bemerkenswert, daß offenbar bei allen derzeit aktuellen Themen die erste Rede von den Sprechern der Industrie und Wirtschaft und nicht von den Sozialexperten oder in Fragen der landwirtschaftlichen Tierhaltung von den Landwirtschaftsexperten gehalten wird, sondern überall zunächst einmal Maderthaner und Stummvoll auftreten (Abg. Dr. Fekter: Weil uns die Arbeitsplätze etwas wert sind! Wirtschaften heißt Arbeitsplätze schaffen! Arbeitsplätze schaffen kann nur die Wirtschaft!), mit klaren Forderungen, Frau Abgeordneten Fekter, des Sozial- und Umweltabbaues. (Beifall bei den Grünen.)

Das zeigt doch sehr stark, wohin sich die ehemalige Volkspartei entwickelt hat, nämlich zu einer Lobbyisten-Partei für sehr kurzsichtige industrielle Anliegen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Arbeitslosigkeit beträgt in Österreich – angeblich, dem Papier nach – über 7 Prozent. Das ist schon zu viel. Das ist jedoch lediglich die statistische Aussage auf dem Papier. Ich hätte mir doch von Frau Bundesministerin Prammer ein paar Worte zur Aussagekraft dieser Statistik erwartet. Es gab einmal – mittlerweile ist es schon wieder einige Jahre her – eine Anfragebeantwortung durch Sozialminister Hesoun, in der er zugegeben hat, daß damals zumindest 50 000 Frauen aufgrund mangelnder oder unzureichender Kinderbetreuungsmöglichkeiten keinen Arbeitsplatz finden konnten.

Sehr viele Frauen können auch deshalb keinen Arbeitsplatz annehmen, weil die Angebote des öffentlichen Verkehrs, die Zug- und Busverbindungen nicht auf die Arbeitsmöglichkeiten für Frauen und schon gar nicht auf Kinderbetreuungsmöglichkeiten Rücksicht nehmen. Und diese Frauen, Frau Bundesministerin, gehen gar nicht mehr zum Arbeitsamt, die melden sich gar nicht mehr als arbeitssuchend. Diese zigtausend österreichischen Frauen scheinen nicht mehr in den Statistiken auf. Warum sollten sie denn zum Arbeitsamt gehen? – Sie wissen ja, daß es aus folgenden Gründen nicht geht: Der Kindergarten sperrt zu spät auf, zu früh zu oder hat Mittagspause. Es gibt keine passende Zug- oder Busverbindung. Diese Frauen werden in den Statistiken gar nicht mehr angeführt. Das ist eine Form von versteckter Arbeitslosigkeit, die in Österreich sehr, sehr hoch ist. Dafür spricht auch die im internationalen Vergleich für ein entwickeltes Industrieland sehr niedrige Frauenerwerbsbeteiligung.

Ebenso Schulabgängerinnen, Studentinnen, Hochschulabsolventinnen: Sie gehen nicht mehr zum Arbeitsamt, denn sich täglich dort negative Auskünfte zu holen, ist diesen Menschen doch gar nicht mehr zumutbar. Daher, Frau Bundesministerin: Bitte etwas mehr Ehrlichkeit in Sachen Arbeitslosigkeit und in Sachen Statistik! (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Punkt, Nahversorgung. Auch die sozialdemokratische Fraktion hat einem Modell der sogenannten Flexibilisierung von Arbeitszeiten zugestimmt, das eigentlich nur den großen Einkaufszentren genützt hat. Für die kleinen Gewerbetreibenden – und da vermisse ich auch den Aufschrei der ÖVP – hat das nichts gebracht. Schauen Sie sich doch einmal um am Samstagnachmittag, wo wirklich die Nachfrage pulsiert und wo Leere herrscht! Das ist auf dem Rücken – einmal mehr – der Frauen ausgegangen; das hat Arbeitsplätze bei den kleinen Gewerbetrei


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