Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 106. Sitzung / Seite 224

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Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

23.22

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Wenn man am heutigen Tag den Debatten gefolgt ist – spätestens seit der Dringlichen Anfrage –, müßte man eigentlich der Meinung sein, daß Sie alle zustimmen werden, vor allem auch die sozialdemokratische Fraktion. Nach dem, was der Kanzler für die ganze Bundesregierung und die Koalition gesagt hat, müßten Sie alle zustimmen. Denn er hat heute nicht nur erzählt, daß das ein Schwerpunkt ist, den die Bundesregierung selbstverständlich setzt, sondern er hat auch gesagt, daß zusätzlich 600 Millionen Schilling dafür zur Verfügung gestellt werden. – Ja dann! Wenn ohnehin zusätzlich 600 Millionen zu den im vorigen Jahr veranschlagten und großteils verbrauchten 600 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt werden, was hindert Sie dann daran, unserem Antrag zuzustimmen? Vielleicht hat Ihnen diese Erkenntnis in der Ausschußsitzung noch gefehlt, das kann sein, denn das war ja heute offensichtlich eine neue Botschaft. Aber dann könnten Sie sehr wohl jetzt im Plenum diesem Antrag zustimmen! Denn sonst besteht ein Widerspruch, wenn der Kanzler am Nachmittag feststellt, daß das ein Schwerpunkt ist, und ankündigt, daß dafür zusätzlich weitere 600 Millionen Schilling ausgegeben werden: Warum stimmen Sie diesem Antrag dann nicht zu? Dafür gibt es überhaupt keine Erklärung!

Frau Abgeordnete Mertel! Ihre Rede klingt wirklich wie ein Glaubensbekenntnis, wenn Sie sagen: Wir waren, sind und werden immer diejenigen sein, die den zügigen Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen vorangetrieben haben beziehungsweise vorantreiben. – Allerdings stimmt das mit der Realität nicht überein! (Abg. Dr. Mertel: In welchen Punkten stimmt das mit der Realität nicht überein?) Aber es haben vermutlich Glaubensbekenntnisse so an sich, daß sie immer nur auf gutem Glauben gründen und nicht auf dem realen Zustand! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Mertel: Was Realität ist, bestimmen Sie?) Der reale Zustand ist noch immer – wie Sie in Ihrer Rede selbst gesagt haben –, daß Kinderbetreuungseinrichtungen vor allem in westlichen Bundesländern fehlen, daß Kinderbetreuungseinrichtungen für die Null- bis Dreijährigen fehlen und daß vor allem ganztägige Kinderbetreuungseinrichtungen fehlen.

All das wissen wir! Schauen Sie in Ihre eigene Gewerkschaftszeitung! In der letzten Nummer war eine ganze Doppelseite diesem Thema gewidmet. Lesen Sie sich das durch! In der letzten, brandneuen Nummer Ihrer Gewerkschaftszeitung von dieser Woche werden die Karrieren oder Nicht-Karrieren der Frauen beschrieben. (Abg. Dr. Mertel: Was hat das mit Kinderbetreuungseinrichtungen zu tun?) Es werden zwei Fallbeispiele genannt. Eine Frau, die in einer leitenden Position tätig war, kommt aus der Karenz zurück und findet den Einstieg nicht mehr. Es wird genau geschildert, daß sie keine Kinderbetreuungsmöglichkeit findet und daher über kurz oder lang aus dem Beruf ausscheiden muß.

Zweiter Fall: Eine Frau – auch mit mehreren Kindern – steigt wieder ein. In diesem Fall kann aber die Großmutter die Kinder betreuen. Daher kann die Frau Karriere machen, und sie steigt weiter auf. Eine wunderbare Situation! Nichts schildert das Problem, woran es mangelt, besser als die Gegenüberstellung dieser beiden Beispiele in Ihrer eigenen Hauspostille, der Gewerkschaftszeitung. Also bitte: Warum stimmen Sie dann nicht zu?

Sehen Sie: Es ist ein ewiges Gwirks, wer jetzt eigentlich dafür zuständig ist: die Länder oder der Bund? Natürlich sind die Länder zuständig, aber der Bund soll Motivation geben und Anreize schaffen! (Abg. Dr. Mertel: Der Bund gibt 600 Millionen!) Das war ein gutes Beispiel, wenn es auch nur 600 Millionen Schilling sind und nicht 1 Milliarde! Der Bund soll das weiter tun! Daher geht unser Antrag gemäß Artikel 15 B-VG in die Richtung, daß Bund und Länder zu einer gemeinsamen Finanzierung von jedenfalls 1 Milliarde Schilling jährlich beitragen sollen.

Das war ein Wahlversprechen des damaligen Bundeskanzlers und SP-Spitzenkandidaten Vranitzky aus dem Jahre 1994. Es ist beschämend genug, daß es bis zum Jahre 1997 gedauert hat, bis das realisiert wurde. Ihre Frauenministerin hat im Jahre 1995 in einem Presseinterview


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