Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 106. Sitzung / Seite 231

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Das ist möglicherweise in Ihren Augen eine Usance, aber eine Usance, die offenbar eine versteinerte ist. Denn wir wissen, daß immer wieder Nachbesetzungen notwendig sind und daß der Verfassungsgerichtshof, wenn diesmal nicht mit einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin nachbesetzt werden würde, keineswegs notleidend werden würde, was die Anzahl der Rechtsanwälte in diesem Gremium anlangt. Notleidend ist er aber, was die Anzahl der Frauen in diesem Gremium anlangt – ohne jeden Zweifel! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Wenn ich vor der Qual der Wahl stehe, unter mehreren annähernd gleich qualifizierten, aber in ihrem Spektrum selbstverständlich unterschiedlichen Individuen zu wählen, und einen Parameter zusätzlich einzubringen habe, dann ist das bei Ihnen, Herr Kollege Kostelka und Herr Kollege Khol, der Rechtsanwalt, jedoch bei uns ist es die Frau. Das sage ich Ihnen ganz deutlich! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Daß Frau Dr. Kucsko-Stadlmayer bereits Ersatzmitglied ist, ist kein Grund, sie nicht zu wählen, sondern ganz im Gegenteil: Das ist – vor allem, wenn man weiß, daß sie in dieser Eigenschaft tatsächlich bereits eingesetzt wurde – ein guter Grund, sie zu wählen. Daß Dr. Müller Hofrat beim Verwaltungsgerichtshof und ebenfalls Ersatzmitglied des Verfassungsgerichtshofes ist, ist kein Grund, ihn nicht zu wählen, aber es wiegt nicht schwer genug gegen die Kandidatin Kucsko-Stadlmayer.

Sie bringen alle Ihre Argumente nur vor, um zu verbrämen, daß Sie sich auf eine politische Lösung geeinigt haben, die nicht dem Geist des Verfassungsgerichtshofes entspricht: nämlich hier in einer freien, geheimen Wahl den bestmöglichen Kandidaten oder die bestmögliche Kandidatin zu küren. Das entspricht dem nicht, und die öffentliche Vorausankündigung entspricht dem schon gar nicht. Ich meine, wenn wir diese politischen Unsitten nicht abstellen, dann erschüttert das nachhaltig das Vertrauen in unseren gesamten Rechtsstaat.

Herr Kollege Khol! Ich weiß, daß Sie das ungern hören. Sie hören es deswegen ungern, weil Sie wissen, daß es im Kern stimmt. Weil Ihnen aber irgendeine Parteiräson wichtiger ist, tun Sie etwas, das Sie, wenn Sie diese Parteiräson nicht beachten müßten, wahrscheinlich anders machen würden. Das ist eine Art von Pflichtauffassung, die gefährlich ist, denn sie führt dazu, daß es zu einer Verschiebung der Werte kommt. Die Zweck-Mittel-Relation wird gestört, und das Gewissen und die persönliche Entscheidung sind weniger wichtig als der Kadergehorsam. Es ist auch schade, wenn ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofes damit beschwert wird, daß seine Geburtsstunde als Mitglied belastet ist durch einen unheiligen Pakt, durch eine Kugel, die in einem unheiligen Pakt gegossen worden ist, Freischütz-artig. Das ist nicht gut.

Daher bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses, nochmals zu erwägen: Haben wir hier mehrere Vorschläge, die von der Qualität her annähernd gleichwertig sind? – Ich beziehe durchaus Professor Raschauer in diese Überlegungen mit ein, denn auch er hat auf mich einen ganz hervorragenden Eindruck gemacht. Trotzdem haben wir bei unserem Vorschlag im Zweifel für die Frau entschieden, nicht jedoch in dem Sinn, daß sie eine Alibifrau wäre.

Herr Kollege Kostelka und Herr Kollege Khol! "Wenn sich nur eine Rechtsanwältin beworben hätte", haben Sie gesagt. Wäre dann die Qualifikation nicht wichtig gewesen? Hätte es Ihnen genügt, daß es eine Rechtsanwältin ist? Einfach nur so, damit sie die Formerfordernisse erfüllt? – Das ist zuwenig. Wenn sie nur eine Alibifrau gewesen wäre, hätten wir uns nicht entschlossen, Frau Professor Kucsko-Stadlmayer vorzuschlagen. Aber wir halten sie für den anderen Kandidaten ebenbürtig, die heute schon vorgeschlagen worden sind, und da kann man auswählen.

Daher bitte ich Sie, noch einmal zu überlegen, ob es nicht auch für die Entscheidungsqualität dieses Gremiums besser wäre, wenn auch eine bessere Ausgewogenheit der persönlichen Sichtweisen, die jeder Jurist zusätzlich neben seiner fachlichen Qualifikation in sich trägt, miteinfließt. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß in Gremien mit einem relativ höheren Frauenanteil manche Diskussionen einfach anders laufen – glauben Sie mir das! –, und zwar in einem angenehmen, positiven Sinn.


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