Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 112. Sitzung / Seite 110

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

sessen ist, daß er Strafhäftlinge nicht mit Schubhäftlingen gleichsetzt, daß er sehr wohl daran interessiert ist, daß Menschenwürde und Beachtung von Menschenrechten auch für Häftlinge – es gibt beide Kategorien in Österreich – ein Gut sind, das wir schützen müssen, und daß wir die Würde des Menschen nicht mit Füßen treten.

Was ich aber bei Ihnen vermisse – das hat nichts mit den Freiheitlichen zu tun, das hat nichts mit den polemischen, mit den demagogischen, mit den zum Teil berechtigten, zum Teil unberechtigten Vorwürfen, mit denen Sie hier konfrontiert werden, zu tun –, ist, was Sie als Bundesminister im Sinne dieser Haltung, dieser höchst sozialdemokratischen Haltung, an Vollzugshandlungen setzen, welche Spuren Sie als Ressortchef in der praktischen Politik hinterlassen.

Ich sehe diese positiven Spuren nicht. Ich sehe nicht, daß man das Instrument der Bundesbetreuung dort einsetzt, wo es notwendig wäre. Im Gegenteil: Ich höre von allen Seiten Proteste, wenn es darum geht, wie Asylwerber beziehungsweise Menschen, die in Österreich sind, hier aber kein formales Aufenthaltsrecht haben, behandelt werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend) : Das geht bis hin zu den schweren Vorwürfen, die der UNHCR, die Caritas und Menschenrechtsorganisationen in Österreich aufgrund von tragischen Ereignissen erheben, die ... (Beifall bei den Grünen.)

15.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeit ist vorbei.

Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte.

15.37

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich habe mich sehr bewußt am Ende dieser Debatte zu Wort gemeldet, weil ich die Rednerinnen und Redner der einzelnen Parlamentsfraktionen abwarten wollte, weil – wie erwartet – durch deren Debattenbeiträge sehr eindrucksvoll dargelegt worden ist, wie unterschiedlich die Bewertung dieser Frage in den einzelnen Parlamentsfraktionen ist.

Während die eine Seite im Hause sehr vehement von mir als Innenminister erwartet, daß ich mit aller Härte und Konsequenz gegen das Freipressen durch Hungerstreiks vorgehe, sieht die andere Seite des Nationalrates die Sache so, daß seitens der Behörde ohnehin bereits unmenschlich agiert und gehandelt wird.

Ich meine, daß die Wahrheit in der Mitte liegt, und ich möchte auch kurz begründen, wieso ich der Ansicht bin, daß man zwischen diesen Meinungen und Extremstandpunkten einen Mittelweg zu finden versuchen sollte. Ich jedenfalls versuche, diesen Mittelweg zu gehen.

Unbestritten ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß es einen viel stärkeren Migrationsdruck auf Österreich und andere Staaten Europas gibt, als das noch in den vergangenen Jahren der Fall war. Unbestritten ist auch, daß ein Großteil der Menschen, die nach Österreich kommen wollen, nicht Menschen sind, die aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen verfolgt werden, sondern Wirtschaftsflüchtlinge oder – um das vielleicht noch korrekter und konkreter zu formulieren – Armutsflüchtlinge, das heißt also Menschen, die in ihren Heimatländern keine Perspektive mehr haben, nicht an die dortige soziale, gesellschaftspolitische oder wirtschaftliche Weiterentwicklung glauben, aber die Hoffnung haben, in Österreich oder in anderen Staaten Europas eine neue, eine bessere Heimat zu finden.

Unbestritten ist auch, daß in den letzten Jahren sehr viele Menschen in Österreich neu aufgenommen wurden, daß sehr viele Menschen in Österreich eine neue Heimat gefunden haben. Österreich ist innerhalb der Europäischen Union jenes Land, das den zweithöchsten Ausländeranteil hat. Nach Luxemburg mit 33 Prozent ist Österreich mit 9 Prozent das Land, das den zweithöchsten Ausländeranteil aufweist.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite