Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 114. Sitzung / Seite 18

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte.

22.34

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Ich bin ein bißchen erstaunt darüber, Frau Bundesministerin – obwohl ich ein wenig Nachsicht mit Ihnen habe, weil Ihnen das Erkenntnis erst so kurze Zeit vorliegt und Sie es nicht so gut kennen können; allerdings haben wir es auch noch nicht viel länger –, daß Sie hier das Hohe Haus mit Zitaten aus dem Erkenntnis davon überzeugen wollen, daß es sich bei der Notstandshilfe um eine Mischform, wie Sie es genannt haben, handle und daß unklar sei, wie man dies interpretieren soll.

Meiner Ansicht nach ist das aber sonnenklar, meine Damen und Herren! Meiner Ansicht nach ist sonnenklar, wie das zu lesen ist, weil es wörtlich drinsteht. Es steht auf Seite 8 – vorhin haben Sie zitiert, jetzt zitiere ich – des Erkenntnisses: Angesichts dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte – jetzt kommt es – sieht sich der Verfassungsgerichtshof veranlaßt, seine bisherige Judikatur zu überdenken. Jedenfalls vorläufig nimmt der Verfassungsgerichtshof mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an, daß der Anspruch auf Notstandshilfe als vermögenswertes Recht im Sinne der MRK geschützt sei. – Vorläufig! (Bundesministerin Hostasch: Ja!)

Sie meinen, das ist so zu interpretieren, daß das alles nicht ganz klar ist, und man wird ja sehen. (Abg. Dr. Feurstein: Nein, das ist eine Unterstellung!) Aber bitte, auf Seite 18 dieses ... (Abg. Dr. Feurstein: Sie haben der Frau Ministerin nicht zugehört!) Das hat sie gesagt, ich habe sehr gut zugehört. Ich sehe ein bißchen schlecht, aber ich höre sehr gut. (Beifall bei den Grünen.)

Auf Seite 18 dieses Erkenntnisses steht nämlich das unserer Auffassung nach Entscheidende für dieses Erkenntnis, warum es jetzt vollkommen zweifelsfrei ist, daß es sich um Versicherungsleistungen handelt. Denn dort steht folgendes: Ausschlaggebend dafür ist der auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in der zitierten Entscheidung hervorgehobene Umstand, daß es sich bei der Notstandshilfe um eine Sozialversicherungsleistung handelt, der eine vorher zu erbringende – das steht in Klammer – Gegenleistung des Anspruchsberechtigten gegenübersteht. – Das wird noch weiter ausgeführt.

Frau Bundesministerin! Es kann gar nicht klarer festgehalten werden als hier in diesem Erkenntnis. Darauf weise ich jetzt nur hin, weil die Kolleginnen und Kollegen, denen dieser Text nicht vorliegt, das nicht gelesen haben und weil das alles so schnell geht. Aus diesem Grund und nicht, um Sie zu korrigieren, habe ich mich zu Wort gemeldet, denn ich wußte ja noch gar nicht, was Sie sagen werden.

Was mich auch erstaunt und verwundert macht, meine sehr geehrten Damen und Herren – denn ich habe ja immer noch die Hoffnung, daß es in der Politik auch so etwas wie vernunftgeleitete Entscheidungen gibt –, ist die Vorgangsweise rund um diese rasche – was heißt rasch? –, um diese schleunigst erfolgte Änderung, denn sie zeigt, was die wahre Absicht der Regierung insgesamt und der beiden Regierungsfraktionen ist, nämlich die wahre Absicht, die ja die Politik in bezug auf Rechte ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in den letzten Jahren in den verschiedensten Bereichen geprägt hat, und so auch im gesamten Bereich der Ausländerbeschäftigung und der Rechte, die sich daraus ergeben.

Meiner Ansicht nach ist man aber vorher noch kaum je so weit gegangen wie diesmal. Um das politische Ziel, die Diskriminierung ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger, weiter aufrechtzuerhalten, diskriminiert man auch inländische Mitbürgerinnen und Mitbürger, Österreicher nach dem Reisepaß. Dabei hofft man, daß das nicht allzu auffällig ist, da hofft man, daß es nicht allzu viele geben wird, die sich darüber beschweren werden, da es ja tatsächlich nicht viele sind. Beispiele wie das, das Kollege Kier genannt hat, wird man suchen müssen, um sie zu finden, aber es gibt sie, und es wird Betroffene geben.

Diese Betroffenen werden – dessen können Sie sich hundertprozentig sicher sein – genau das tun, was jetzt auch passiert ist: nämlich den Weg zu den Höchstgerichten beschreiten. Wir


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite