Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 130. Sitzung / Seite 14

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meine Damen und Herren, wird es so sein, daß die Mitgliedstaaten nicht mehr direkt im Rat Initiativen einbringen können, das Initiativrecht haben, nein: Das Initiativrecht geht in fünf Jahren auf die Kommission über. Die Kommission, von niemandem gewählt, von keiner demokratischen Legitimierung getragen, wird in Zukunft das Initiativrecht haben. Und das Initiativrecht ist in der Europäischen Union ja nicht ganz unbedeutend.

Die Mitgliedstaaten müssen in Zukunft bei der Kommission anklopfen, um dort ihre Wünsche deponieren zu können, damit die Kommission dann geneigtermaßen entweder die Wünsche als Initiativen weiterträgt oder sie schlicht und einfach schubladisiert.

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, wie mit dem Positionspapier der Landeshauptleutekonferenz unter dem Vorsitz von Landeshauptfrau Klasnic zum Thema Osterweiterung umgegangen wurde. Herr Kollege Schieder, ich weiß nicht, ob Sie den Brief des Herrn Pirzio-Biroli – das ist der Kabinettsleiter von EU-Kommissar Fischler – kennen. Dieser hat seinem Kabinettsleiterkollegen mitgeteilt: Hier haben Sie eine Deklaration der Landeshauptleute aus Österreich; machen Sie damit, was Sie wollen. – Das ist die Art des Umgangs, meine Damen und Herren, wortwörtlich nachlesbar, wir haben diesen Brief. Da steht: Machen Sie damit, was Sie wollen. – Das interessiert die Kommission nicht. Und dieser Kommission wollen Sie in Zukunft das Initiativrecht und die Entscheidungszuständigkeit geben, was in Zukunft in der Europäischen Union geschieht und was nicht?

Letztlich, Herr Kollege Khol, wird heute eines der bedeutendsten Gesetze beschlossen werden, eine der bedeutendsten Verfassungsnovellen in diesem Jahrzehnt, wenn nicht sogar seit Bestehen der Zweiten Republik, insbesondere seit dem Neutralitätsgesetz: nämlich die kalte Abschaffung des Neutralitätsgesetzes. Nicht daß wir dagegen wären, daß man die Neutralität abschafft, weil sie ihren Zweck erfüllt hat. Kollege Khol hat einmal gesagt, man soll sie in die Schatzkammer der Hofburg zu den Kronjuwelen geben. Nein, man geht heute so vor, daß man sie kalt abschafft und der Bevölkerung immer noch erklärt, das Neutralitätsgesetz bleibe unangetastet.

Die Wahrheit ist, daß heute ein Gesetz beschlossen werden soll – ich zitiere wortwörtlich –, mit dem Kampfeinsätze zur Krisenbewältigung in Zukunft möglich sind. Das ist die neue Umschreibung für Kriegsbeteiligung, meine Damen und Herren! So schaut es aus. Das sollten Sie der Bevölkerung sagen, und Sie sollten sie miteinbinden. Es ist eine Entscheidung der Österreicherinnen und Österreicher, ob wir die Neutralität abschaffen oder nicht. Wir sind dafür, daß wir sie abschaffen, aber die Entscheidung darüber muß die österreichische Bevölkerung im Rahmen einer Volksabstimmung treffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da nützt es nichts, Herr Kollege Schieder, wenn Ihr Klubobmann im Verfassungsausschuß erklärt, er gehe vom Grundsatz der verfassungsverträglichen Interpretation aus. Der nächste Redner, Kollege Khol von der ÖVP, hat gleich gesagt, er gehe davon aus – übrigens im Einklang mit der österreichischen Rechtslehre –, daß hier die Lex-posterior-Regel gelte, das heißt, die letztere Regelung, die jüngere derogiert die ältere Regelung. Das bedeutet, daß in Zukunft selbstverständlich im Rat die Zustimmung vom Bundeskanzler im Einvernehmen mit dem Außenminister oder vom Außenminister im Einvernehmen mit den Bundeskanzler zur Beteiligung an Kriegseinsätzen möglich ist, meine Damen und Herren.

Es sind auch schon einige in Ihrer Fraktion daraufgekommen – das lese ich in der heutigen Ausgabe des "Kurier" –, daß sich Widerstände bilden. Ich kann diese Widerstände verstehen. Denn die Friedenswerkstatt Linz – nicht gerade eine Organisation, die mir nahesteht, sondern eher dem Kollegen Cap – ersucht uns in einem eindringlichen Appell, in einem offenen Brief, diesen Vertrag nicht zu unterzeichnen, diese Verfassungsgesetz-Novelle nicht zu beschließen. Ausnahmsweise hat die Friedenswerkstatt Linz einmal recht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie schaffen heute kaltlächelnd durch die Hintertüre die Neutralität ab und erzählen den Österreicherinnen und Österreichern nach wie vor, die Neutralität bleibe unangetastet. Kollege Kostelka geht davon aus, daß in Zukunft im Rat immer nein gesagt werde, weil ja das Neutralitätsgesetz gelte. Dem widersprechen natürlich Kollege Khol und der Außenminister.


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