Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 130. Sitzung / Seite 16

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

wir kämpfen um Sicherheit für unser Land und für die Freiheit seiner Bürger. Es geht um die Sicherheit – das muß ich wiederholen. Die Frage der Instrumentalisierung steht an. Die Neutralität war in einer bestimmten Situation ein Instrument, aber die Situation hat sich total verändert.

Man muß sich immer wieder die Frage stellen: Was stärkt unsere Sicherheit? (Abg. Jung: Stimmt, aber nicht Neutralität heucheln! Das ist das Problem!)  – Nein, ich habe von der Entwicklung der Neutralität gesprochen. Sie erfährt eine stete Veränderung. Rechtlich gesehen ist sie an und für sich ein schwaches Instrument.

Die Neutralität war im Jahre 1955 politisch gesehen eine großartige Idee, um vor allem die Teilung des Landes zu vermeiden und die Besatzungstruppen wegzubringen. (Abg. Mag. Stadler: Ja! D’accord!) Darüber sind wir uns einig. Es gab dann in dieser Frage ständig Änderungen. Wir haben gesagt: Neutralität nach dem Schweizer Modell, wenige Monate später sind wir jedoch dem Europarat beigetreten, zwei Jahre später dann der UNO – die Schweiz nicht. Wir haben die Bewegungsmöglichkeiten, die Autonomie im Interesse unseres Landes ständig ausgenützt. (Abg. Mag. Stadler: Auch in Ordnung!) Das ist unsere Aufgabe, und wir sollten das auch jetzt tun. Die Neutralität verändert sich, und wir müssen immer darauf schauen, was den Interessen unseres Landes entspricht. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Frage der Neutralität ist international gesehen noch wichtiger als national. Man muß daher auch die Entwicklungen, die seither eingetreten sind, berücksichtigen, meine Damen und Herren! Es gab Vorwirkungen und Nachwirkungen. Als der Konflikt mit dem Irak wegen der Aggression gegen Kuwait ausgebrochen ist, gab die österreichische Bundesregierung die Erlaubnis dazu, daß amerikanische Flugzeuge zur Abwehr dieser Aggression über österreichisches Territorium fliegen. Dies wurde zuerst kritisiert; später haben die Schweizer nachgezogen.

Wir haben die Möglichkeiten, die die gewohnheitsrechtliche Entwicklung bietet, im Interesse unseres Landes genützt. Die Neutralität war immer ein Instrument und wird auch den instrumentalen Charakter behalten; das Ziel jedoch war schon immer die Unabhängigkeit, die Selbständigkeit, die Sicherheit des Landes und die Freiheit seiner Bürger. Daran müssen wir festhalten. Und daher wundere ich mich darüber, daß es in dieser Frage keinen Dialog gibt.

Man sollte den Dialog zwischen den Regierungsparteien – auch wenn es Differenzen gibt – und zwischen Regierung und Opposition fortsetzen. Ich halte das für sehr wesentlich. Nach dem Jahre 1945 ist es gelungen, in sehr wichtigen Fragen parteipolitische Gegensätze zu überwinden; daher muß es auch heute möglich sein, weiterzureden, selbst wenn nächstes Jahr Wahlen vor der Tür stehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich verstehe es, Kollegin von den Grünen, wenn Sie sagen, daß Sie sich Sorgen um den Bestand der Neutralität machen. Sie sagen: Unsere Fraktion sieht diese stille Abschaffung der Neutralität durch die Bundesregierung mit großer Besorgnis. – Die stille Abschaffung. Das, was ich Ihnen jetzt aufgezählt habe, waren jedoch ausnahmslos unsere Entscheidungen. Wir bewegen uns in einem internationalen gewohnheitsrechtlichen Bereich.

Damals, als es geheißen hat, daß man auch als neutraler Staat Mitglied der Vereinten Nationen werden kann, hat man nicht gesagt, daß die Neutralität schwächer geworden ist. Im Jahre 1946 war es ursprünglich unmöglich, daß Schweden Mitglied wird – unvereinbar! Dann wurde es möglich. Das heißt, die kollektive Sicherheit, die Solidarität trat immer mehr in den Vordergrund – es gibt immer ein Auf und Ab. Es gibt in der Entwicklung natürlich auch Rückschläge, siehe die gesamte Integrationsentwicklung. Wir sollten das berücksichtigen und daraus nicht Gegensätze machen, die es nicht gibt.

Man kann darüber diskutieren, was die Sicherheit eines Landes garantiert, das in der Mitte, im Herzen Europas liegt, nur wenige hundert Kilometer entfernt von neuen Explosionsherden, sollte aber nicht immer nur automatisch wiederholen: Neutralität, Neutralität.

Es geht auch um folgende Frage: Was geschieht mit unserem Land im Kriegsfall? – Früher hat es geheißen: Neutralität heißt, du darfst keinen bevorzugen, mußt jeden gleich behandeln. Heute wird der Neutrale beschimpft, wenn er den Schlechten nicht angegriffen hat und den Guten


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite