Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 130. Sitzung / Seite 22

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gesetz aus dem Sitzungssaal entfernen läßt, muß ich Sie leider enttäuschen. Diesen Wunsch werde ich Ihnen nicht erfüllen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Hans Helmut Moser. )

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Wabl: Kollege Khol wollte das eigentlich!)

9.51

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich werde später auf die Neutralität zurückkommen. Auch ich bin froh darüber, daß das Neutralitätsgesetz hier im Sitzungssaal hängt. Man erkennt daran, daß es ein wichtiges Gesetz ist, aber nicht, wie die Grünen in ihrem Brief behaupten, ein Bauelement der österreichischen Bundesverfassung, denn dies ginge sich nämlich schon zeitlich nicht aus, wie an dem Datum "26. Oktober 1955" ersichtlich ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Jung: Man kann auch Erweiterungen durchführen!)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Vertrag, also der Ratifizierung des Amsterdamer Vertrags, setzt das österreichische Parlament seinen ersten Schritt und Europa seinen dritten Schritt in Richtung dichtere Integration in der EU. Es ist dies quasi die dritte Abänderung, die eine substantielle Erweiterung des sachlichen Geltungsbereiches der Gründungsverträge bringt. Nach dem Abschluß der Einheitlichen Europäischen Akte vor mehr als einem Jahrzehnt, mit der das Konzept des Binnenmarktes realisiert beziehungsweise begonnen wurde, nach dem Abschluß des Vertrags von Maastricht vor fünf Jahren, durch den die Errichtung der Europäischen Union initiiert wurde – auch wenn von vielen Gelehrten deren Rechtsnatur nach wie vor als unbestimmt bezeichnet wird –, wird nunmehr mit dem dritten Änderungsvertrag, dem Vertrag von Amsterdam, ein wesentlicher Schritt zu einer Verdichtung in der Europäischen Union unternommen. (Abg. Öllinger: Subsidiarität!)

Dieser Vertrag bringt mehr Grundrechte, den schrittweisen Aufbau des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, die Einbeziehung der Schengener Verträge in die EU, mehr Solidarität nach außen durch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – auf diese Problematik komme ich im folgenden noch zu sprechen –, mehr Solidarität nach innen durch Beschäftigungsfragen, die Sozialpolitik, durch die Bestimmung über Nichtdiskriminierung und sonstige Grundrechte sowie Transparenz. Er leistet einen Beitrag für bessere Lebensbedingungen der Bürger in Europa, und zwar durch die Bestimmungen über Umwelt, Gesundheitswesen und Konsumentenschutz. Er bringt auch ein gewisses Ausmaß – ich sage bewußt: ein gewisses Ausmaß – an Demokratisierung durch die Bestimmungen über die Befugnisse der Organe, insbesondere über die Mitentscheidung des Europäischen Parlaments (Abg. Öllinger: Bravo!), und Flexibilität im Sinne verstärkter Zusammenarbeit zwischen Gruppen und Mitgliedstaaten.

Dr. Thun-Hohenstein bezeichnet den Vertrag von Amsterdam in seinem Buch über selbigen – ich kann die Lektüre dieses Buches nur allen empfehlen, weil sie beim Verstehen dieses Vertrages sehr hilfreich ist – richtigerweise nicht als Meilenstein, aber als eine "respektable Etappe des europäischen Integrationsprozesses". Er weist – wie viele andere auch – darauf hin, daß die Integrationsfreude der Gründerzeit in einem gewissen Ausmaß bereits verflogen ist und jeder der 15 Mitgliedstaaten seine eigenen Interessen immer stärker in den Vordergrund stellt, was sich natürlich auch auf Gesamtergebnisse auswirkt.

Wenn ich eine Formulierung Musils in die EU einbringen darf: Mit dem europäischen Möglichkeitssinn gemessen ist der Vertrag von Amsterdam sicher enttäuschend, mit dem europäischen Wirklichkeitssinn gemessen stellt er jedoch einen respektablen Fortschritt dar, ein Stück weiter auf dem Weg in die richtige Richtung, das sich sehen lassen kann.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Im Mittelpunkt der bisherigen Debatte ist hier die Frage der Neutralität und ihrer Bezeichnung gestanden.

Ein Wort zu Ihren Ausführungen, Kollege Stadler: Danke, daß Sie Bruno Kreisky erwähnt haben. Bruno Kreisky ist historisch so bedeutsam, gewissermaßen so groß, daß er – gestatten Sie mir dies – nicht einer unzutreffenden Vergrößerung durch Sie bedarf. Die Frage der Bezeichnung


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