Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 130. Sitzung / Seite 39

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Punkt eins: Es ist auch zu diskutieren, wie groß das internationale Interesse an neutralen Ländern eigentlich ist, an Neutralitätspolitik, an einem neutralen Österreich. Das wird nicht diskutiert in diesem Zusammenhang; wir unterhalten uns immer nur in unserem engen politischen Schrebergarten darüber, inwieweit wir uns selbst definieren, wie wir es interpretieren. Es ist uns überlassen, wie die Neutralität – die letztlich auf Gesetzen basiert – zu interpretieren ist. Aber die Frage ist auch: Wer hat Interesse daran? Ist das zum Beispiel ein Modell?

Für die osteuropäischen Länder, die sich aus dem Warschauer Pakt gelöst, sich vom COMECON-System entfernt und das kommunistische System überwunden haben, ist es natürlich kein Modell. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 16. Juni ist zu lesen: Titel: "Militärische Allianzfreiheit ist ein Mittel, nicht ein Ziel. Schweden und Finnland gehen auf die NATO zu", und dann wird aufgezählt, in welchen Bereichen sie zusammenarbeiten wollen. Das ist eine Entwicklung, die man zumindest zur Kenntnis nehmen muß und die auch in eine österreichische Neutralitätsdebatte, in eine Selbstverständnisdiskussion Eingang finden muß.

Wenn das so ist, daß es uns überlassen ist, zu interpretieren, dann ist auch klar, daß es im Rahmen einer parlamentarischen Debatte eine Interpretationsdiskussion gibt, so wie sie heute hier stattfindet.

Ein zweiter Punkt ist die Frage der Außenpolitik. Soll sie eine politisch-interventionistische sein oder nicht? Soll sie darüber hinausgehen oder nicht, wenn es um Frieden geht, wenn es um Friedenserhalt geht, wenn es um Friedensschaffung geht?

Die Politik Kreiskys war eher eine politisch-interventionistische Außenpolitik. Das hat sich modifiziert. Wir sind in der EU. Es gibt eine andere geopolitische Situation, es haben sich auch die sogenannten Bedrohungsbilder verändert, denn es herrscht nicht mehr der Gegensatz zwischen West und Ost, zwischen NATO und Warschauer Pakt. Es hat sich eine radikale Veränderung ergeben, und es haben sich zugleich natürlich auch globale Veränderungsschritte ergeben.

Ich bekenne mich zu einer interventionistischen Außenpolitik, zu einer politisch-interventionistischen im Sinne des Friedens, der Friedenserhaltung, der Friedensschaffung, und so gesehen auch dazu, das letztendlich, wenn es nicht anders geht, wenn alle Mittel ausgeschöpft sind, auch militärisch durchzusetzen. Im Rahmen der Debatte, die hier stattfindet, ist natürlich auch die Frage zu stellen, auf welcher Basis, in welchem Rahmen, mit welcher Legitimation das vor sich gehen soll.

Da gefällt mir ein Punkt nicht, nämlich diese Zwangsszenarien: Wenn man dort ist, dann muß man das – wenn man da ist, dann muß man das. Ich kenne kein Szenarium, wo es – das gilt selbst bei UNO-Beschlüssen, bei einem Beschluß des Sicherheitsrates – eine Sanktion gibt, wenn man bei einer solidarischen Aktion nicht mitmacht. Es ist Artikel 5 bei WEU und NATO noch nie zur Anwendung gekommen. Ich kenne auch kein Sanktionsinstrumentarium, wonach man, wenn man NATO-Mitglied oder WEU-Mitglied ist, bei irgend etwas mitmachen muß.

Der Amsterdamer Vertrag bietet uns darüber hinaus die Möglichkeit, uns der Stimme zu enthalten beziehungsweise dagegenzustimmen, wenn auch nicht mit Vetowirkung. Auch da gibt es logischerweise – nicht nur wegen dieser Einrichtung, sondern auch grundsätzlich – keine Möglichkeit, etwas zu erzwingen.

Ein letzter Punkt, den ich für sehr positiv erachte, ist das Zusammenschmelzen, die Verflechtung EU, WEU und letztlich auch – das muß man dazusagen – NATO.

In Artikel 17 dieses Amsterdamer Vertrages – wiedergegeben auf Seite 17 der "Österreichischen außenpolitischen Dokumentation" – ist ein sehr interessanter Passus zu lesen. Da steht: "Die Politik der Union nach diesem Artikel berührt nicht den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten; sie achtet die Verpflichtungen einiger Mitgliedstaaten, die ihre gemeinsame Verteidigung in der Nordatlantikvertragsorganisation (NATO) verwirklicht sehen, aus dem Nordatlantikvertrag und ist vereinbar mit der in jenem Rahmen festgelegten gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik."


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