Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 135. Sitzung / Seite 38

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Über das Bildungssystem ist Gott sei Dank die eine oder andere Bemerkung von seiten der beiden Bundesminister gefallen. Das Bildungssystem halte ich für die eigentliche Basis des wirtschaftlichen Erfolgs. Es wird von guten und Gott sei Dank auch von vielen engagierten Pädagogen getragen. Aber können Sie mir sagen, wo es in dem Bildungssystem, das Sie als Regierungsparteien zu verantworten haben, auch nur den leisesten Hauch eines Ansatzes von Selbständigkeit gibt? Können Sie mir erklären, wie beispielsweise pragmatisierte Geographielehrer Selbständigkeit unterrichten sollen? Können Sie mir einen einzigen Unterrichtsgegenstand nennen, in dem Selbständigkeit als Philosophie und als Lebenshaltung unterrichtet wird?

An der Wirtschaftsuniversität, die in Österreich heuer 100 Jahre alt wird, gab es bis zum Wintersemester 1998/1999 kein einziges Seminar, das Unterricht über den Weg in die Selbständigkeit anbietet. Es wird Professor Risak sein, der die ersten Seminare in dieser Richtung veranstalten wird.

Unser Land ist kein Land für Selbständige, sondern es ist ein Land von pragmatisierten Beamten! Doch von diesem Denken müssen Sie sich mental lösen, und dies werden Sie wohl nur über die Bildung schaffen. Ich erinnere mich mit einigem Schrecken daran, was gesagt wurde, als wir vor Monatsfrist über die Frage der wirtschaftlichen Entwicklungen diskutiert haben. Da haben die aus den geschützten Bereichen kommenden Universitätsprofessoren mit einer gewissen Überheblichkeit über das Jammern des Gewerbetreibenden gesprochen.

Meine Damen und Herren Universitätsprofessoren! Sie wissen gar nicht, was das ist. Sie haben wirklich nicht das Recht, darüber zu reden. Es ist unerträglich, eine solche Überheblichkeit an den Tag zu legen und das als "Jammern" abzutun (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abgeordneten Dr. Stummvoll und Haigermoser ), wenn Ihnen diejenigen, die Wirtschaft betreiben, sagen, daß sie unter den gegebenen Rahmenbedingungen nur sehr schwer erfolgreich sein können. Ich weiß schon, jetzt schauen die Universitätsprofessoren betroffen, weil Sie doch so recht haben. (Abg. Tichy-Schreder: Herr Professor Lukesch ist ein ausgezeichneter Professor! – Abg. Dr. Lukesch: Das ist eine Frechheit, Herr Peter, ...! – Ruf: Das Jammern ist der Gruß der Kaufleute!)

Das Jammern ist nicht der Gruß der Kaufleute, sondern die klare Formulierung der Klein- und Mittelbetriebe beziehungsweise Selbständigen, die sie in diesem Land gebrauchen, um erfolgreicher sein zu können, denen Sie aber Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen, unter denen sie eben nicht erfolgreich sein können. Das ist der Punkt! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Unser Bildungssystem ist immer noch dem abprüfbaren Wissen verhaftet. Das ist genau das, was wir in einer Kultur der neuen Selbständigkeit nicht brauchen. Die Kultur der neuen Selbständigkeit wird Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit und Neugierde erfordern. Das ist die Basis, die wir brauchen, um mehr Unternehmer in unserem Land zu haben. Wo ist der entsprechende Unterricht? – Herr Wirtschaftsminister! Sie sind zwar nicht Unterrichtsminister, trotzdem sage ich Ihnen: Es sollte in der Bildungsarbeit ein Schwerpunkt sein, auf ein etwas überkommenes Bildungssystem einzuwirken und diese neuen Kriterien der Selbständigkeit zu unterrichten.

Was die Jugendbeschäftigung betrifft, kann ich Ihnen vordergründig nur ein Kompliment machen. Im Gegensatz zur Arbeitslosigkeit insgesamt, die entgegen Ihren Aussagen nicht drittvergleichsfähig ist, sind Sie auf diesem Gebiet erfolgreich. Aber um welchen Preis? – Auch da versuchen Sie, Jugendbeschäftigung zu erzeugen, indem Sie, ohne Reformen durchzuführen, das Problem mit Geld zudecken. Das haben sie 1997 getan, das werden Sie im Sommer 1998 probieren: einmal mit 2 Milliarden Schilling, heuer mit 1,8 Milliarden Schilling.

Herr Feurstein, warum haben Sie nicht den Mut, die Lehre einer wirklichen Reform zu unterziehen und sie als gleichberechtigte Säule in die sekundäre Bildungsstufe einzubauen?! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Warum haben Sie nicht den Mut, zwischen betrieblicher und schulischer Ausbildungszeit zu trennen? Warum sind Sie nicht in der Lage, die duale Ausbildung in einer neuen Form durch


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