Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 135. Sitzung / Seite 42

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Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.01

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage des Wirtschaftsberichtes hat zumindest zwei Dinge mit Weihnachten gemeinsam: Das erste ist, daß von den Regierungsparteien immer sehr viel Weihrauch gestreut wird und sich die Oppositionsparteien mehr oder weniger erfolgreich bemühen, den Nebel, der dadurch entsteht, ein bißchen zu lüften. Das zweite ist, daß mich das Verhalten der zuständigen Bundesminister immer an den überforderten Menschen vor Weihnachten erinnert, der sich nicht und nicht daran gewöhnen kann, daß Weihnachten am 24. Dezember ist.

Es ist seit Jahrzehnten üblich, daß der Wirtschaftsbericht in der letzten Julisitzung vorgelegt wird. Wir haben den Bericht von Herrn Minister Farnleitner gestern um 18.30 Uhr gefaxt bekommen – vielen Dank! –, jenen vom Minister Edlinger heute früh. Daß jemand in den Wirtschaftsbericht hineingeschaut hat, der erst heute früh vorgelegt wurde, wird man doch nicht im Ernst erwarten. Das ist offenbar die Sommerlektüre, die uns bevorsteht. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Feurstein: Das ist etwas zum Nachschlagen!)

Herr Minister Farnleitner! Es ist natürlich positiv – und ich bin sehr froh darüber –, daß endlich eine Reihe neuer Lehrberufe – ich komme auf die Lehrlinge zu sprechen – von den Sozialpartnern nicht nur erfunden, sondern auch abgesegnet worden ist. Was zu klären bleibt, ist natürlich die Qualität der alten und der neuen Berufe, ob sie den Arbeitsmarkterfordernissen entspricht. Es beunruhigt mich auch immer wieder, daß gerade Frauen – in diesem Fall Mädchen – Lehrberufe ergreifen, die ihnen für die Zukunft zumindest vorerst einmal niedrige Einkommen garantieren.

Nach wie vor ist die Lehrberufswahl weiblicher Lehrlinge nicht jene, die man sich wünschen würde, und zum Schluß braucht man sich dann nicht zu wundern – das ist jedenfalls einer jener Faktoren, die dazu beitragen –, daß das Lebenseinkommen der Frauen geringer ist als jenes der Männer.

Herr Bundesminister! Ihre Rede könnte den Eindruck erwecken, daß sich die Situation im dualen Ausbildungssystem wesentlich gebessert hat. Daß sie wesentlich besser geworden ist, kann ich nicht erkennen. Wenn man der heutigen Ausgabe des "Kurier" – also vom 9. Juli –, der sich auf Daten des Arbeitsmarktservice beruft, Glauben schenken kann, wird man in dieser Meinung bestätigt.

Es ist schon richtig, daß die Situation in der Tendenz etwas besser ist, als sie es noch im Jahre 1997 war: 500 Plätze weniger fehlen bei den sofort verfügbaren Lehrstellen, und bei den nicht sofort verfügbaren Lehrstellen fehlen um 1 000 weniger. Aber das ist wenig beruhigend vor dem Hintergrund, daß im Jahre 1997 viele zusätzliche Milliarden in diesen Bereich geflossen sind und daß heuer wieder viele Unternehmen darauf warten, die gleichen Mittel wie 1997 zu bekommen. Dieser Droge müssen sie erst wieder entwöhnt werden.

Herr Bundesminister! Ich habe in Ihrer Rede auch ein Wort zur Frage vermißt, wieviel einerseits der Staat tun kann – darauf haben Sie sich im wesentlichen konzentriert, und das ist auch wichtig und richtig – und was andererseits mit den Firmen ist. Die Einstellung der Firmen zur Ausbildung von Lehrlingen hat sich doch in den letzten fünf bis zehn Jahren eindeutig gewandelt. Zu einem Teil – wir haben das hier schon des öfteren diskutiert – kann man das auch theoretisch begründen. Nichtsdestoweniger darf man die Firmen aus dieser Pflicht nicht entlassen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich hatte letzte Woche das Vergnügen, die Firma Blum in Vorarlberg zu besuchen; ein Modellfall, das muß man wirklich sagen. Das ist ein Familienunternehmen mit rund 2 000 Angestellten, soferne ich mich recht erinnere. Diese Firma hat wirklich ein vorbildliches Lehrlingssystem installiert, und zwar nicht nur deshalb, weil High-tech-Ausbildung geboten wird, weil es für hohe Produktivität sorgt, sondern auch deswegen, weil es abgesehen von der technischen Ausbildung


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