Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 135. Sitzung / Seite 55

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Wenn der Herr Bundesminister für Finanzen seinen Anspruch, daß eben die Dinge ineinandergreifen müssen, wenn man so eine Steuerreform macht, wirklich ernst nimmt, dann muß er diesen Teilaspekt mitdiskutieren, denn international wird er diskutiert – egal, ob das in Österreich gerne gehört wird oder nicht. Es ist international ein Thema, die soziale Sicherheit so weiterzuentwickeln, daß sie sich als Teilelement des Steuersystems in ihren Fundamenten abbildet. Daß man damit die Probleme im Bereich Gesundheit nicht lösen kann, daß damit selbstverständlich die Bildungspolitik nicht mitgelöst ist, daß damit auch die Frauenfrage per se nicht mitgelöst ist, erwähne ich nur deswegen, weil einem ja immer wieder – aus Gründen der Miesmacherei – vorgeworfen wird, man glaube, mit einer fundamentalen sozialen Absicherung alle Fragen dieser Republik lösen zu können. Man schafft zwar die Voraussetzung für die Lösung aller anderen Fragen, aber man löst sie deswegen noch nicht.

Wenn Herr Bundesminister Edlinger gemeint hat, wir hätten ein so hervorragendes soziales Sicherungssystem, dann ist das mehr als kühn. Wir haben zwar ein soziales Sicherungssystem, das sich in den letzten 40, 50 Jahren recht und schlecht bewährt hat, aber man muß erkennen, daß es seit mindestens 10 Jahren im schweren Sinkflug befindlich ist, daß seine Lösungsqualität von Jahr zu Jahr abnimmt, daß Sparpakete notwendig waren, um es noch einigermaßen hinzubekommen. Diese Sparpakete haben gleichzeitig bewirkt, daß die seinerzeitige Qualität unserer sozialen Systeme schwer Not gelitten hat, daß die Anspruchszeiten bei Arbeitslosigkeit verkürzt werden mußten, daß die Notstandshilfen gesenkt, die Pflegegelder reduziert, die Leistungshorizonte im Gesundheitswesen verringert werden mußten.

Warum wird denn so merkwürdig über den festen Zahnersatz diskutiert, nämlich ohne daß irgend jemand erwähnt, daß die Sozialversicherungsträger in Österreich ihren Versicherten diesen festen Zahnersatz überhaupt noch nie ersetzt haben? Überhaupt noch nie! Das Skurrile an dieser Diskussion ist, daß sich der Hauptverband anmaßt, sich zum Teil in irgend etwas einzumischen, was er selber gar nicht zahlt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Diese Diskussion wird nicht geführt, aber genau das wäre die Strukturdiskussion, daß man sich eben überlegt: Ist nicht am Beispiel des festen Zahnersatzes der Beweis auf dem Tisch, daß Selbstbehalte etwas sind, was man nicht a priori verteufeln muß? Denn die festen Zahnersätze werden derzeit von den Sozialversicherungsträgern nach der Philosophie des hundert prozentigen Selbstbehaltes behandelt. Das ist vielleicht der eigentliche Fehler.

Wenn man das daher wirklich lösen wollte, müßte man allerdings in manchen Dingen mehr ausgeben als bisher und in anderen Dingen weniger ausgeben als bisher. Denn eines ist sicher richtig: Die Staatsquote wird man zu diesem Zweck nicht erhöhen können. Im Gegenteil, man sollte sich eher bemühen, sie zu senken. (Beifall beim Liberalen Forum.) Dies genau nach der von mir hier schon formulierten These: Das Geld, das man den Menschen läßt, ist der beste Transfer. Das, glaube ich, ist völlig aus den Augen verloren worden.

Ein weiterer Gedanke, der mir in diesem Zusammenhang wichtig ist: Warum wird in der Strukturdiskussionsfrage der liberale Antrag, die Arbeitgeberbeiträge im Sozialversicherungsbereich von der Lohnsumme zu nehmen, einfach so vom Tisch gewischt, obwohl er eindeutig – eindeutig! – zahllose Probleme, die wir mit dem Inkasso dieser Beiträge haben, lösen würde? Die Frage der Geringfügigkeitsgrenzen würde sich nicht mehr stellen, aber auch das Ausweichen über die Höchstbeitragsgrundlage hinaus würde es in diesem Bereich nicht mehr geben. Endlich würde arbeitgeberseitig jeder Lohnschilling dieselben Lasten tragen.

Das ist unser Zugang. Aber diesen verweigert die Sozialdemokratie, obwohl sie hinter vorgehaltener Hand sagt, das sei eine großartige Idee. Jeder, der einigermaßen etwas von Bürokratie und Bürokratieabbau versteht, weiß, daß das selbstverständlich ein Quantensprung in der Vereinfachung der Lohnverrechnung wäre. Aber das würde ja nur die Unternehmen bürokratisch entlasten, und daher interessiert das offenbar niemanden.

Ein weiterer Aspekt, auf den Bundesminister Edlinger auch zu sprechen gekommen ist, ist das "vorbildliche" Bildungssystem. Unser Bildungssystem ist so recht und schlecht, wie es ist. Aber es vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Probleme, die wir haben, als "vorbildlich" zu bezeichnen, ist tollkühn! Berufsbilder werden definiert mit einer Langsamkeit im Sinne Edlingers, die penetrant ist, damit sich die duale Ausbildung entfalten kann, obwohl sich die Wirklichkeit


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