Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 135. Sitzung / Seite 101

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Kinder liegen durcheinander. Wenn sich die Frauen duschen wollen, hält angeblich ein Soldat vor der Tür Wache, da die nicht abschließbar ist. Den Bewohnern fehlt jede Information. Bei vielen handelt es sich um Kosovo-Albaner (siehe ,Frankfurter Allgemeine Zeitung‘ vom 30.5.1998, Seite 33, und ,Standard‘ vom 27.5.1998, Seite 33).

Ungarn ist aufgrund der Zurückschiebung von zahlreichen Personen durch die österreichischen Behörden restlos überfordert, wie das Auffanglager in Györ zeigt. Innenminister Schlögl redet von einer gerechten Lastenverteilung, die auf EU-Ebene durchaus zu begrüßen wäre, er meint dabei aber offensichtlich die Abschiebung von ,Lasten‘ (= Menschen und Verantwortung) nach Ungarn. Spätestens seit den Berichten in den Zeitungen und im ORF über die Zustände des Auffanglagers in Györ muß auch der Innenminister darüber Bescheid wissen. Der Innenminister macht sich daher an der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung von Personen, die nach der Zurückschiebung beziehungsweise Abschiebung durch Österreich nach Ungarn in diesem Auffanglager untergebracht werden, mitverantwortlich.

Die angeführten Umstände reichen aus, um einen sofortigen und absoluten Abschiebestopp für Kosovo-Albaner zu verfügen. Wie dargelegt, ist auch eine Abschiebung nach Ungarn weder rechtlich noch moralisch zulässig, weil Ungarn offenkundig kein sicheres Drittland ist. Aus all diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Anfrage:

1. Wie viele Kosovo-Albaner wurden im Jahr 1998 nach Jugoslawien ab- beziehungsweise zurückgeschoben?

2. Wie viele Kosovo-Albaner wurden im Jahr 1998 nach Ungarn ab- beziehungsweise zurückgeschoben beziehungsweise zurückgewiesen?

3. Wie rechtfertigen Sie eine Ab-, Zurückschiebung beziehungsweise Zurückweisung von Kosovo-Albanern und anderen Flüchtlingen nach Ungarn, zumal vom UNHCR festgestellt wurde, daß Ungarn kein sicheres Drittland sei, und dokumentiert ist, daß Flüchtlinge in Verfolgerstaaten weitergeschoben werden?

4. Wie rechtfertigen Sie eine Ab-, Zurückschiebung beziehungsweise Zurückweisung von Kosovo-Albanern und anderen Flüchtlingen nach Ungarn, obwohl bekannt ist, daß diese Personen im Auffanglager in Györ unter katastrophalen Verhältnissen (siehe beiliegender Artikel von Eva Menasse in der ,FAZ‘ vom 30.5.1998, Nr. 124 ) untergebracht werden?

5. Kann bei einer Unterbringung von Personen unter den unmenschlichen und erniedrigenden Zuständen wie in Györ überhaupt von einem sicheren Drittland gesprochen werden?

6. Werden Sie dafür sorgen, daß keine Personen mehr nach Ungarn ab- beziehungsweise zurückgeschoben werden, solange damit zu rechnen ist, daß sie im Auffanglager von Györ und ähnlichen ,Lagern‘ untergebracht werden?

7. Wie rechtfertigen Sie die Entscheidungen des Bundesasylsenates, wonach Übergriffe und Kampfhandlungen im Kosovo noch nicht ein solches Ausmaß erreicht hätten, daß jeder Kosovo-Albaner mit einem hohen Maß an Wahrscheinlichkeit in seiner körperlichen Unversehrtheit und seiner persönlichen Freiheit aktuell bedroht wäre, wie dies etwa in Zeiten völliger Anarchie der Fall wäre und daher eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung zulässig sei?

8. Wie rechtfertigen Sie die unterschiedliche Spruchpraxis der Behörden des Bundesasylamtes in den einzelnen Bundesländern – im Burgenland werden zum Beispiel generell Asylanträge wegen Drittstaatsicherheit abgelehnt?

9. Teilen Sie die Meinung, daß unter den derzeitigen Verhältnissen Albaner aus dem Kosovo im Sinne des § 57 Fremdengesetz nicht nach Jugoslawien zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden dürfen? Wenn ja, werden Sie eine entsprechende Weisung erteilen?


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