Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 135. Sitzung / Seite 104

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und Herren! Aus diesen 3 633 Erledigungen dieser Art möchte ich Ihnen einiges vortragen, vortragen im Hinblick darauf, was Sie täglich und allabendlich im ORF sehen können – diese Berichte gibt es wirklich täglich, Gott sei Dank täglich – und was Sie in den Zeitungen lesen können. Österreichs Asylbehörden reagieren auf diese Bilder mit Sätzen wie – ich zitiere aus einem Asylbescheid vom 6. Mai 1998 betreffend einen Kosovo-Albaner, der in Österreich Schutz vor Verfolgung sucht und als Reaktion darauf folgendes zu lesen bekommt –:

"Dieser Übergriff durch die Polizei" – die serbische Polizei ist hier gemeint – "ist für Sie sicherlich furchtbar gewesen, doch darf seitens der Asylbehörde auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß es sich hiebei um eine zwar schärfstens zu verurteilende, aber leider allgemein übliche Vorgangsweise handelt."

Die Verfolgung durch serbische Polizei wird als eine "allgemein übliche Vorgangsweise" bezeichnet – nachzulesen in österreichischen Asylbescheiden.

Aber es geht noch weiter: Einem Kosovo-Albaner, der in Österreich Zuflucht sucht und hier um Asyl ansucht – sein Schwager und der Vater des Schwagers wurden massakriert, weil sie einer "falschen", unter Anführungszeichen, Ethnie angehören –, wird von der Behörde folgendes geschrieben:

"Soweit Sie vorbringen, in Ihrem Heimatland von der dort herrschenden bürgerkriegsähnlichen Situation betroffen zu sein, so ist dies allein nicht als geeignet anzusehen, das Vorliegen begründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention glaubhaft zu machen, weil den aus solchen Verhältnissen resultierenden Benachteiligungen sämtliche dort lebende Bewohner ausgesetzt sind und solche Verhältnisse daher nicht als konkrete, individuell gegen den Asylwerber gerichtete Verfolgungshandlungen eingestuft werden können." Denn – und das ist ein Nachsatz von mir – die "konkrete, individuelle Verfolgungshandlung" war ja die gegen den Schwager, der tot ist, und gegen den Vater des Schwagers, der ebenfalls ermordet wurde.

Das heißt nach meinen Worten: Nur ein toter Flüchtling ist ein guter Flüchtling in Österreich. Das ist die Diktion von Asylbescheiden wie diesen. (Abg. Dr. Mertel: Das war Ihre Diktion!) Behörden in Österreich bezweifeln Menschenrechtsverletzungen nicht. Amtlich gibt es die Bestätigung von Menschenrechtsverletzungen im Kosovo. Ich habe es Ihnen gerade vorgelesen.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht noch viel weiter. Es werden Menschenrechtsverletzungen nicht bezweifelt, es wird auch nicht geschrieben: Wir glauben Ihnen nicht!, nein, die Österreicher gehen weiter, sie sagen: Es interessiert uns nicht, was Sie sagen. Es stimmt, es gibt Menschenrechtsverletzungen im Kosovo, aber uns interessiert das in Ihrem Fall nicht. – Das ist weit tragischer, und das ist von einem Zynismus geprägt, der zu allem geeignet ist, nur nicht dazu, an eine Tradition anzuknüpfen, auf die Österreich zu Recht stolz ist. (Beifall bei den Grünen.)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, das in meinen Augen eigentlich Fiese kommt erst. Das Fiese ist nämlich der Versuch, der erfolgreiche Versuch, die Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen und für die davon Betroffenen auf andere Länder abzuschieben. (Abg. Marizzi: Hat nicht Österreich die meisten Flüchtlinge aufgenommen?) Da gibt es jetzt ein ganz gutes Wort dafür, man nennt das europäischer Lastenausgleich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe gegen einen europäischen Lastenausgleich überhaupt nichts einzuwenden. Wenn man konkret vor Augen hat, worum es geht, dann ist das der Versuch, nicht nur einzelne Länder durch Bürgerkriege und Kriege und daraus entstehende Flucht zu belasten, sondern diese Last zu verteilen. Jede Initiative, die der österreichische Innenminister in diese Richtung macht, unterstützen wir. Wir unterstützen jede Initiative, die einen Lastenausgleich, daß heißt eine faire Verteilung der Flüchtlingslast, tatsächlich auch umsetzt.

Es geht um die Umsetzung dieser fairen Verteilung, denn heute ist die Realität eine ganz andere. Wie sieht die Realität aus? Staaten schieben sich die Verantwortung gegenseitig zu. Sie schieben sich die Last – und die Last sind in diesem Fall physische Menschen – gegenseitig zu,


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