Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 135. Sitzung / Seite 105

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

und diese Menschen bleiben auf der Strecke. Für Österreich bedeutet das: Wir schieben diese Verantwortung und diese Last auf Ungarn ab. Das wird dann so begründet, wie man hört, liest und sieht, indem man sagt: Nur wegen des Bürgerkrieges im Kosovo lassen wir uns doch Ungarn als sicheres Drittland nicht in Verruf bringen oder kaputtmachen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ungarn ist kein sicheres Drittland, und der Herr Innenminister weiß es, denn er liest auch jene Dokumente, die internationale Organisationen erstellen. (Abg. Smolle: Frau Kollegin, Vorsicht!) Der UNHCR hat erst am 5. Mai 1998 in einem Schreiben an eine österreichische Behörde – also nicht in irgendeinem Papier, das ein Mitarbeiter informell erstellt, sondern in einem offiziellen Schreiben – ganz konkret gesagt, worum es geht. Der UNHCR schreibt folgendes:

"Unter Hinweis auf Artikel 35 der Genfer Flüchtlingskonvention erlaubt sich unser Amt" – nämlich der Hochkommissar für Flüchtlinge in Österreich – "infolge der obigen Anführungen festzu-stellen, daß in Ungarn derzeit keine Verfolgungssicherheit erlangt werden kann, da nach dem Grundsatz ,im Zweifel für den Betreffenden‘ nicht ausgeschlossen ist, daß Asylsuchende, die wegen Drittlandsicherheit von österreichischen Behörden nach Ungarn zurückgestellt werden, ihr Asylbegehren in Ungarn nicht inhaltlich überprüfen können.

Zudem dürfen wir darauf hinweisen" – schreibt der UNHCR, in diesem Fall einem österreichischen, einem Wiener Jugendamt –, "daß die den internationalen Standards entsprechenden Verfahrensgarantien insofern noch nicht zur Gänze sichergestellt sind, als aufgrund der derzeitigen Rechtslage nicht gewährleistet ist, daß sich ein Asylwerber bis zum Ende des zweitinstanzlichen Asylverfahrens in Ungarn aufhalten darf."

Das ist die Realität. Das, meine Damen und Herren, ist inzwischen dokumentiert. Das ist nicht etwas, was eine Vermutung ist, sondern das sind konkrete Fälle – der Herr Innenminister kennt diese konkreten Fälle –, die zeigen, wie die Vorgangsweise ist.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, in den österreichischen Behörden, die dafür zuständig sind, geht es drunter und drüber. Da weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut. Jedenfalls weiß der Innenminister nicht, was seine Behörden tun, und umgekehrt. Da wird die Zufälligkeit des Anfangsbuchstabens eines Namens entscheidend dafür, ob man vor Verfolgung sicher ist oder nicht. Es ist nämlich ein Unterschied, ob mein Name den Anfangsbuchstaben "B" oder "S" hat. Beginnt er mit "S", dann bin ich schon in Ungarn und in der Folge im Kosovo, und beginnt er mit einem anderen Buchstaben, dann darf ich hierbleiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das hat nichts mehr zu tun mit Rechtsstaatlichkeit, das hat nichts mehr zu tun mit Schutz vor Verfolgung, das hat nichts mehr zu tun mit dem, was ständig in den öffentlichen Aussagen der zuständigen Politiker zu hören ist, nämlich daß Österreich Menschen schützt und nicht Menschen in Gefahr bringt. Das Gegenteil ist der Fall.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und wo landen dann jene, die in Österreich mit solchen Bescheiden, wie Sie sie vorher gehört haben, konfrontiert sind? Wo landen die? Sie landen – und das ist Hunderten Kosovo-Albanern, aber nicht nur Kosovo-Albanern, in diesem Jahr passiert – in Györ, im Auffanglager Györ.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man muß nicht im Auffanglager in Györ gewesen sein, um zu wissen, wie die Zustände dort sind. Man braucht nur "Zeit im Bild 2" zu schauen oder nur "profil", "FAZ", den "Standard" oder andere österreichische Zeitungen zu lesen, um darüber informiert zu sein. Man braucht sich nicht einmal die Mühe zu machen, sich das dort anzuschauen, denn es wird dokumentiert. Trotzdem negiert die österreichische Öffentlichkeit, vertreten durch die österreichischen Behörden, daß es in diesem Auffanglager untragbare Zustände gibt.

Allein das Unterbringen in solch einem Auffanglager läßt mich daran zweifeln – diese Tatsache genügt schon, man muß noch gar nicht weitergeschoben werden –, daß es gerechtfertigt ist, wirklich von Drittstaatsicherheit zu sprechen, meine Damen und Herren. Denn die Zustände dort sind so katastrophal, daß Menschen, die dort untergebracht sind – man ist dort nicht unter


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite