Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 135. Sitzung / Seite 124

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kommen können, da sie, wenn sie eben die Fristen nicht wahrnehmen können, dann ein ungewisses Schicksal erleiden. Da ist eine Rechtsgüterabwägung auch im Sinne einer Risikoabwägung allemal besser als Verwaltungsstringenz und Verwaltungseffizienz in Form von 48-Stunden-Fristen so nach dem Motto: In dieser Zeit wird man das Rechtsmittel schon nicht schaffen, und dann haben wir den Akt erledigt, können ihn schließen beziehungsweise brauchen ihn – im eigentlichen Sinn des Wortes – gar nicht erst anzulegen.

Solche 48stündigen Fristen gibt es in den Ländern Schweiz, Deutschland, Italien und Dänemark, die Sie als abschreckende Beispiele hinstellen, weil dort alles viel strenger sei, nicht. Das ist so eindeutig nicht rechtsstaatskonform, daß selbst sehr restriktive Länder keine solchen 48-Stunden-Fristen haben.

Daher meine ich, das sollte ein Anlaß sein, in dieser Frage umzukehren. Daß es allerdings der Unabhängige Bundesasylsenat war, der dieses Verfahren in die Wege geleitet hat, spricht in gewisser Weise für Sie, Herr Bundesminister, das räume ich ein, denn immerhin gibt es ihn noch gar nicht so lange. Das ist etwas, was positiv zu sehen ist.

Aber wenn Sie erklären, das Asylgesetz wurde seinerzeit auch gelobt, dann muß ich feststellen: Das gefällt mir nicht, daß Sie das sagen. Nur weil das eine oder andere, was im neuen Asylgesetz tatsächlich ein bißchen besser ist, anerkannt wurde, so zum Beispiel auch von unserer Fraktion, hat das nie geheißen, daß wir das neue Asylgesetz damals gelobt haben, sondern wir haben einhellig – ob amnesty international, ob die Caritas, ob der Vorsitzende der Bischofskonferenz oder der UNHCR – die Meinung vertreten: Das ist in Summe eine Verschlechterung, auch wenn es da oder dort eine Verbesserung gibt. – Es war mir wichtig, das gesagt zu haben, denn sonst entsteht womöglich noch der Eindruck, es war wirklich ein besseres Asylgesetz, das damals beschlossen wurde.

Jetzt möchte ich zum Kern der Frage: Ungarn – sicheres Drittland? kommen und hier folgende Erklärung, die auch für die Fraktion gilt, abgeben – der Herr Bundesminister hat sich ohnedies schon darauf bezogen –: Wir haben versucht, das Problem innerhalb der Fraktion zu diskutieren, und haben festgestellt: Ob das jetzt so ist oder nicht, wird man jeweils über die Einzelfallprüfung klären müssen. Aber wenn Sie, Herr Bundesminister, gesagt haben: Nennen Sie mir einen einzigen Fall, und wir werden nicht mehr nach Ungarn abschieben!, dann haben Sie sich damit eigentlich von der Einzelfallprüfung verabschiedet, weil Sie offenbar der Meinung sind, wenn es einen Fall gibt, werden Sie überhaupt nicht mehr zurückschieben – was ich aus humanitärer Sicht begrüßen würde. Aber das hieße dann, daß Sie die Einzelfallprüfung aufgeben, denn wenn Sie aufgrund eines Falles, der schiefgegangen ist in Ungarn, das gesamte System verändern wollen, so ist das, glaube ich, mehr auf den Effekt als auf den Rechtsstaat abzielend formuliert. – Das nur zum Mitdenken auch in diesem Fall.

Wir haben uns überlegt: Was muß denn das gemeinsame Ziel sein? – Das gemeinsame Ziel müßte doch sein, daß Ungarn, wenn es nicht ohnedies schon ein sicherer Drittstaat sein sollte, ein sicherer Drittstaat wird, und zwar so rasch wie möglich. Ziel müßte sein, daß sich Ungarn so entwickelt, daß es ein Staat wird, der allen Ansprüchen unzweifelhaft entspricht. Und der gleiche Anspruch gilt für alle Reformländer. Für alle Beitrittswerber der EU muß gelten, daß sie, wenn sie nicht ohnedies schon ein sicheres Drittland sein sollten, es möglichst bald sein werden.

Das Problem der Flüchtlinge aus dem Kosovo wird sich unabhängig davon entwickeln, ob wir Ungarn, Slowenien, Tschechien oder sonst ein Land für ein sicheres Drittland halten oder nicht. Aber eines darf nicht passieren, nämlich daß wir ihnen dann, wenn sie sich endlich so reformiert haben, daß sie unbezweifelbar – etwa auch nach Meinung der Kollegin Stoisits – sichere Drittländer sind, was ja ein gemeinsames Ziel sein muß, sagen: Aber in der Flüchtlingsfrage lassen wir euch allein, denn da haben wir die neue Schengen-Grenze, und da habt ihr leider Pech gehabt!

Daher ist es zwingend notwendig, daß wir einen gesamteuropäischen Solidaritätsschulterschluß machen – einschließlich der Länder, die wir üblicherweise als Reformstaaten oder als Beitrittskandidaten bezeichnen, und zwar unabhängig davon, ob wir sie für sichere Drittländer halten


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