Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 137. Sitzung / Seite 46

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Ich beende nun dieses Kapitel und gehe zum nächsten Punkt über, bei dem man ein Auge zudrücken muß, und zwar dem Wochengeldanspruch für die freien Dienstnehmerinnen. Kollege Feurstein! Eine Verbesserung wäre das schon, aber jeder in diesem Hause weiß auch, daß keine Frau mit dem veranschlagten Geldbetrag – ganz egal, wieviel sie vorher verdient hat; das wurde ja auch von Frau Kollegin Reitsamer angesprochen – während des Mutterschutzes durchkommen kann. (Bundesministerin Hostasch: Was sie vorher aber auch nicht gekriegt hat, bis jetzt! – Abg. Steibl: Das ist der erste Schritt!)

Ja, das ist schon richtig. Das ist eine Verbesserung, bei der wir Grüne ein Auge zudrücken und sagen: Immerhin, das ist etwas! Aber gleichzeitig weiß jeder, daß ein Betrag von 2 780 S in der Zeit des Mutterschutzes, während dessen man nicht arbeiten darf – und ich nehme an, auch unter den freien Dienstnehmerinnen befinden sich viele, die ausschließlich von diesem Geld abhängig sind, weil es auch in dieser Gruppe eine Reihe von Alleinerziehenden gibt –, im besonderen für diese Personengruppe nicht ausreichen wird. (Abg. Dr. Feurstein: Ich habe das diskutiert mit Ihnen, und Sie haben kein Gegenargument gehabt!) Diese Frauen werden daher während dieser Frist dazu gezwungen, ergänzende Sozialhilfe zu beanspruchen. Und es kann ja wohl nicht so sein, daß eine Leistung der Sozialversicherung für bestimmte Personen dazu führt, Sozialhilfe zu beanspruchen.

Jetzt gestehe ich Ihnen – beiden Regierungsparteien – auch zu, daß das eine Verbesserung ist, aber sie führt uns wieder zu dem Punkt hin, bei dem grundlegend die Frage zu stellen wäre, ob bestimmte Leistungen dieses sozialen Sicherungssystems für bestimmte Personengruppen, die neu hinzugekommen sind und neue Arbeitsverhältnisse haben, noch entsprechend anwendbar sind. Das ist das, was wir immer wieder und immer öfter in der Debatte rund um die Grundsicherung, die keine einfache Debatte ist, zu besprechen haben. Das ist eine Debatte, die zur Sockelung von Sozialleistungen hinführt – hinführen muß!   – und natürlich auch – und da wären wir ja wieder d’accord, wenn sich die Gewerkschaften nur etwas mehr in diese Richtung anstrengen würden – nicht nur zu kollektivvertraglichen Mindestlöhnen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch zu gesetzlichen Mindestlöhnen hinführen muß.

Kollege Verzetnitsch! Ich sage dir eines betreffend ÖGB und den Stolz, den du in bezug auf die Kollektivvertragspolitik der österreichischen Gewerkschaften hast: Laut Sozialbericht 1996 verdienen zirka – das weiß man ja nicht so genau – 250 000 Personen in Vollzeitarbeit unter 12 000 S brutto. Wenn man die Regelung des Tony Blair für England auf Österreich umlegen und den gesetzlichen Mindestlohn, der dort vorgeschlagen wurde, auf Österreich anwenden würde – und wir waren doch immer so stolz darauf, daß die Lage bei uns viel besser ist als in Großbritannien –, dann würden 13 000 S gesetzlicher Mindestlohn für Österreich herauskommen, was in Großbritannien jetzt offensichtlich erreicht wurde. (Abg. Verzetnitsch: Mit der Ausnahme in England? Die machen wir dann auch?)

13 000 S gesetzlicher Mindestlohn wurden vereinbart. Die Ausnahme betrifft die Jugendlichen. (Abg. Verzetnitsch: Na also!) Da hätten wir noch größere Probleme, Kollege Verzetnitsch, weil, wie du weißt, die Lehrlinge um einiges weniger verdienen. In Großbritannien kennt man aber keine Lehrlinge, also ist das auch schlecht vergleichbar. Es bleibt aber trotzdem ein gesetzlicher Mindestlohn von 13 000 S bestehen.

Ich beende diesen Punkt und weise bezüglich Wochengeldanspruch für freie Dienstnehmerinnen sozusagen mit einem kleinen Rufzeichen an die Adresse der Gewerkschaft darauf hin, daß die Politik der kollektivvertraglichen Mindestlöhne zu hinterfragen wäre, nämlich betreffend das Ergebnis, das sie in den letzten zehn Jahren gerade in bezug auf diese sowie auf jene Gruppen, die neu dazugekommen sind, produziert hat. Ob es die geringfügig Beschäftigten sind, ob es TeilzeitarbeiterInnen sind, ob es andere prekäre Arbeitsformen sind – die gewerkschaftliche Kollektivvertragspolitik hat zumindest in den letzten Jahren kaum etwas ausgerichtet. Du wirst mir wahrscheinlich nur deswegen so mit Wickelwackel zustimmen können, weil du sehr genau weißt, daß es tatsächlich so ist.

Ich meine, der Hinweis war deutlich, daß hier durchaus einiges nicht nur auf gesetzlicher Ebene, sondern auch auf der Ebene der Sozialpartner – das betrifft natürlich auch die andere Seite der


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