Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 159. Sitzung / 103

Meine Damen und Herren von der SPÖ, der ÖVP und auch von den Liberalen! Ich würde Ihrer Kritik grundsätzlich zustimmen, daß die FPÖ hier eine Anfrage mißbraucht, und das stimmt auch offensichtlich. Nur eines lasse ich mir dennoch nicht nehmen, Herr Justizminister, nämlich daß es eine Kritik, und zwar eine berechtigte Kritik an bestimmten Teilen der Justiz zu üben gilt. (Abg. Dr. Schmidt: Kritik und Unflat sind zwei verschiedene Paar Schuhe!) – Selbstverständlich sind das zwei verschiedene Dinge. (Abg. Mag. Stadler: Die ÖVP hat die Geschäftsordnung mißbraucht!)

Ich weiß, wie scharf damals die Kritik vom Präsidenten Fischer gegenüber der Justiz und der Gerichtsbarkeit war, und ich finde es auch zulässig, daß es Kritik an der Justiz gibt. Aber umso mehr ist es zulässig, Herr Minister, daß Parteienvertreter und Volksvertreter Kritik an der Justiz üben, wenn es so ist, wie ich in der vergangenen Woche in der "Kleinen Zeitung" lesen konnte, nämlich daß der Staatsanwalt meinte, er müsse in einer politisch sehr schwerwiegenden Angelegenheit Kritik an einer Partei üben.

Herr Justizminister! Die Grünen haben seit mehr als einem Jahr immer wieder mit Unterlagen, mit Beweisen, mit Schriftstücken, mit klaren Verdachtsmomenten auf die problematische Frage der Baukartelle hingewiesen. Die Justiz weiß seit Monaten darüber Bescheid. (Abg. Mag. Stadler: Seit Jahren!) Wir von den Grünen ... (Abg. Mag. Stadler: Wir haben eine Anzeige eingebracht! Die hat man zurückgelegt!)

Ich weiß, seit Jahren wurden diese Verdachtsmomente immer wieder geäußert, und ich erinnere an den Prozeß gegen den früheren Generaldirektor Talirz, als Kollege Khol auch noch die Verteidigungsrede hier gehalten hat. Welche Vorkommnisse in diesem Zusammenhang in diesem Prozeß passiert sind, wird noch näher zu untersuchen sein. Aber der Staatsanwalt hat damals beim Prozeß in Graz alles dazu getan, damit dieser Prozeß erfolglos geführt wird. Der Richter hat schon vor Beginn der Prozeßverhandlungen – vor Beginn des Prozesses! – in der Öffentlichkeit erklärt, das sei keine dünne Suppe – damit hat er Herrn Ofner zitiert –, sondern das sei gar keine Suppe. Und das Justizministerium hat eine Weisung erteilt, daß dieser Prozeß durchgeführt werden muß. Die Zeitungen waren voll damit, daß es sich dabei um Politjustiz handelt.

Ich habe dann eine Anfrage gestellt, und in dieser Anfrage wurde alles relativiert. Aber was passiert? – Ausgerechnet jener Staatsanwalt, der am Rande des Prozesses und im Prozeß jedesmal in seinen Aussagen festgestellt hat, daß er mehr oder weniger dazu gebracht worden ist, diesen Prozeß zu führen, hat jetzt wieder die Angelegenheit der Baukartelle über und teilt der Öffentlichkeit mit, die Grünen seien mit den Unterlagen zu früh an die Öffentlichkeit gegangen, weil die Baufirmen doch nicht blöd seien. Wir wissen, daß die Staatsanwaltschaft die Unterlagen schon Tage davor hatte, aber der Herr Staatsanwalt weiß ja schon im voraus, daß darin nichts enthalten ist.

Er sagt auch freimütig im Gespräch mit den Grünen: Ich verstehe von der Sache nichts, das werden sich schon die Sachverständigen anschauen. – Jetzt frage ich Sie: Welches Vertrauen soll ich denn in ein Gericht haben, wo sich der Staatsanwalt nicht auskennt und der Sachverständige die Beurteilung übernimmt?

Und dann lese ich in der parlamentarischen Anfragebeantwortung durch unseren Justizminister zur Causa Talirz in genau denselben Bauangelegenheiten:

"Die in der Strafsache gegen Dr. Heinz Talirz erteilte Weisung zur Anklageerhebung stützte sich sowohl auf den Verdacht der mißbräuchlichen Erteilung eines Auftrages durch Dr. Heinz Talirz zur Erstellung einer Vergabekalkulation als auch auf den Verdacht der mißbräuchlichen Veranlassung der Übernahme von Grundeinlösekosten in der Höhe von ca. 3,6 Millionen Schilling." Und weiters: "Die objektive Vergeudung von Steuermitteln schien zum damaligen Zeitpunkt so gut wie festzustehen, die subjektive Tatseite war durch die Aussagen von Zeugen belegbar."

Jetzt frage ich Sie: Was ist, glauben Sie, in diesem Prozeß passiert? – Der Staatsanwalt hat lamentiert und gesagt, daß er überhaupt nicht verstehe, warum da gegen Herrn Talirz etwas


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite