Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 159. Sitzung / 105

Deutschen Reich die Macht ergriffen haben und daß daher im Jahr 1933 eine Flüchtlingswelle, Emigrationswelle auch nach Österreich gekommen ist; Menschen, die geglaubt haben, daß, wenn sie aus dem Deutschen Reich nach Österreich flüchten, sicher sein werden – das waren sie auch bis zu einem gewissen Grad – nicht alle, aber doch die meisten –, jedoch nur bis zum März 1938! Diese Menschen waren zwar fünf Jahre lang ohne Unterbrechung in Österreich, fielen jedoch nicht in den Kreis jener Betroffenen, die von unserem Nationalfondsgesetz erfaßt wurden. Daher wurde schon vor über einem Jahr die Diskussion darüber aufgenommen.

Als wir uns dann näher damit beschäftigten, bemerkten wir folgendes – ich glaube, das wäre ein Grund dafür,  diesem Fristsetzungsantrag und in der Folge auch unserem Antrag zuzustimmen –: Wir haben beim Studium des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechtes festgestellt, daß im Jahr 1938 – also zum Zeitpunkt des Stichtages, um den es hier geht – in der österreichischen Rechtsordnung für die Erlangung der Staatsbürgerschaft aufgrund des Bundesgesetzes über die Bundesbürgerschaft aus dem Jahr 1925 nur eine Vierjahresfrist vorgesehen war. Das entspricht genau jener Frist, die heute zehn Jahre beträgt. Aus diesem Grund sind wir der Meinung, daß es richtig wäre und den Intentionen des damaligen Gesetzgebers entspräche, jene Anwartschaftsfrist, die im Jahr 1938 vorgesehen war, zugrunde zu legen, wenn wir uns mit Menschen beschäftigen, die im Jahr 1938 oder in den folgenden Jahren Opfer von Verfolgung wurden; also nicht die heutige Zehnjahresfrist.

Das wäre ein kleiner Schritt, aber ein Schritt in die richtige Richtung, vor allem ein Schritt in Richtung einer erhöhten Glaubwürdigkeit. Denn nur deshalb, weil unser heutiges Staatsbürgerschaftsrecht – ich spreche schon zur Sache, wenn ich das jetzt erwähne – härtere Fristen kennt als jenes, das in der Ersten Republik im Jahre 1925 beschlossen wurde, dürfen wir diese härteren Fristen, die uns, dem Liberalen Forum, auch heute nicht gefallen, nicht auf das Jahr 1938 projizieren.

Und daher bitte ich Sie, diesem Fristsetzungsantrag zuzustimmen, mit dem Anspruch, daß dann eine Chance bestünde, noch vor Ablauf dieser Legislaturperiode diese Reparatur durchzuführen. Lange genug liegt dieser Antrag schon im Hohen Haus, nämlich seit Oktober vergangenen Jahres. Das Fristsetzungsbegehren ist nicht engherzig, es ist auf den 23. März hin formuliert, also hätten wir von heute an vier Wochen Zeit, um uns im zuständigen Verfassungsausschuß damit zu beschäftigen. Ich ersuche Sie daher herzlich, unserem Fristsetzungsantrag zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Mag. Stoisits.)

15.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Kostelka. – Bitte, Herr Klubobmann.

15.47

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Kier hat mit Recht darauf verwiesen, daß wir in einer Sitzung des Nationalfonds vor nicht allzu langer Zeit über diese Frage bereits gesprochen haben, da ein Nationalfonds, der nun schon einige Jahre tätig ist und bisher insgesamt 25 000 Fälle positiv abgehandelt hat, natürlich die Tendenz hat, neue Probleme sozusagen zu gebären, aufzuzeigen, daß die eher willkürliche Grenze – ich gebe zu, die zehn Jahre sind eine willkürliche Grenze, zu der wir uns damals einvernehmlich gefunden haben – Probleme geschaffen hat.

Ich glaube jedoch, Herr Kollege Kier, daß wir diese Frage nicht über das Knie brechen sollten. Denn das, was Sie hier angeschnitten haben, ist nur eine der Fragen, die wir im Zusammenhang mit dem Nationalfonds zu diskutieren und in der nächsten Zeit auch zu entscheiden haben werden.

Selbstverständlich ist es ein Problem, wenn jemand dieser Zehnjahresfrist nahe ist, sie aber nicht erreicht. Der Hinweis auf die Vierjahresfrist, die Sie jetzt vorschlagen, ist letztendlich nur ein Hinweis, Sie schaffen damit im Grunde genommen neuerlich eine willkürliche Grenze. Ich sage Ihnen ganz offen, daß für mich diese Perspektive, die Sie aufzeigen, wichtig ist, glaube aber, daß wir in einem anderen Zusammenhang noch viel wichtigere Diskussionen zu führen


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