Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 159. Sitzung / 177

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So wird es wohl nicht den Intentionen entsprechen, die der Nationalrat hier schon im Jahre 1996 positiv ausgeführt hat, nämlich, daß wir uns des Themenbereichs Jugendwohlfahrt im Sinne von Hilfe für jene, die Opfer von Mißhandlung oder von Mißbrauch – also hilfsbedürftig – sind, mehr annehmen. Das ist auch ein Thema, das jetzt im beginnenden Wahljahr von allen im Munde geführt wird: Allen geht es um die Familie und um die Kinder, und alle wollen helfen, und überall wird Geld hingegeben. Dort aber, wo der Gesetzgeber jetzt tatsächlich die Chance hätte, einzugreifen, und dort, wo es darum geht, im Versorgungssystem Mittel für jene Familien aufzuwenden, die tatsächlich in Not sind – und das sind jene, die den Jugendwohlfahrtsträger brauchen –, weigern Sie sich, etwas zu tun!

Es ist einfach, "Karenzgeld für alle" anzukündigen und sozusagen das Geld mit der Gießkanne über ganz Österreich zu verteilen, jene aber, die es wirklich brauchen, werden geflissentlich vergessen, auch wenn jetzt gerade ein Gesetz in Behandlung steht. – Das ist es, was uns am meisten stört – nicht so sehr uns als Abgeordnete, sondern jene, die in diesen Bereichen tätig sind, und das sind in erster Linie SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt aber noch einen zweiten Punkt in diesem Zusammenhang zu kritisieren, und bei diesem geht es um die Tagesväter und -mütter und um die Tagesbetreuung. Was dieses Gesetz jetzt zuläßt, das ist die Grundtendenz der sogenannten "Laisierung", wie es die Sozialarbeiter nennen. Es geht uns darum, darauf aufmerksam zu machen, daß wir die Chance verpassen, bundeseinheitliche Regelungen für die Ausbildung zu schaffen. Es gibt Bundesländer in Österreich, die da vorbildlich agieren, meine Damen und Herren, aber es gibt auch solche, die Dumping betreiben: Dumping bei der Ausbildung, bei den ausbildungsbezogenen Voraussetzungen für die Zulassung zum Beruf. Der Grund dafür liegt ganz einfach darin, daß die Leute dann weniger kosten! Das ist ja klar!

Das geht so weit, daß man in Vorarlberg Agenden der Jugendwohlfahrt an den Ortsbauern vergibt! Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn öffentliche Jugendwohlfahrt jetzt so verstanden wird, daß jemand, der eben schon mehrere Kinder gehabt hat und als kinderliebend bekannt ist, ohne irgendwelche sonstigen Voraussetzungen zu erfüllen, die Qualifikation hat, die Aufgaben des öffentlichen Jugendwohlfahrtsträgers zu übernehmen, dann, bitte schön, hört sich ja jede Möglichkeit, Qualifikation einzufordern, wirklich auf! Das aber ist Realität und bereits passiert! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Kier.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen haben auch genau errechnet, was jene Maßnahmen, die der positiven Intention des Gesetzes entsprechen würden, kosten würden, und sie haben 50 Millionen Schilling als Untergrenze und einen Betrag von 200 Millionen Schilling für die Verwirklichung des "Vollausbaues", wie er möglich wäre, genannt. – Das sind die Summen, um die es geht und die verweigert werden!

Deshalb haben wir unseren Abänderungsantrag eingebracht, und deshalb ergeht in diese Richtung auch unsere Bitte. Einige Kolleginnen und Kollegen des Nationalrates haben sich auch bereits dieser Bitte jener, die sich Sorgen um die Klienten, aber gleichzeitig auch Sorgen um die Kollegenschaft – Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen – machen, angeschlossen – Kollegin Tegischer wird das ja auch noch ausführen –, aber das ist noch nicht die Mehrheit, und es ist nur mehr wenig Zeit, sich das zu überlegen. Diese vertane Chance nimmt sich aus wie ein Hohn angesichts all der Worte, die in den letzten Wochen und Monaten bezüglich Familie, Kinder, Sorge um Kinder, Mißhandlung und all dem, was da alles wirklich existiert, gesprochen worden sind. Ich zweifle nicht daran, daß sich der Herr Bundesminister auch heute in großer Sorge um die Familien hier zu diesen bekennen wird – zu Recht! Sein Handeln in bezug auf dieses Gesetz aber widerspricht dem eklatant! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Kier.)

20.49

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Antrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte, Herr Bundesminister.


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