Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 159. Sitzung / 178

20.49

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohes Hauses! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Stoisits! Gestatten Sie, daß ich mich gleich zu Beginn meiner Rede mit Ihren Ausführungen auseinandersetze. Ich halte wenig davon, Themen wie "Karenzgeld für alle" – eine familienpolitische Maßnahme! – dem Thema "Verbesserungen in der Jugendwohlfahrt" gegenüberzustellen beziehungsweise diese Themen gegeneinander auszuspielen. Es ist beim "Karenzgeld für alle" keinesfalls die Rede von einer Gießkanne, die über ganz Österreich ausgegossen wird, wo auch diejenigen Karenzgeld bekommen, die es nicht brauchen, sondern es ist die Rede von Karenzgeld für diejenigen, die es tatsächlich brauchen. Oder meinen Sie, Frau Stoisits, daß Studierende, Schülerinnen, Bezieherinnen von geringfügigen Einkommen, also von maximal 3 899 S, nicht pro Woche, sondern pro Monat – 130 000 Frauen befinden sich laut Statistik in solchen Beschäftigungsverhältnissen –, es nicht brauchen? Sie brauchen es! Deswegen ist es jedenfalls mein persönlicher Wunsch wie auch der Wunsch meiner Fraktion – auch wenn wir, wie Sie und auch wir wissen, derzeit noch nicht soweit sind –, das als familienpolitische Maßnahme zu bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber damit zur JWG-Novelle: Es ist ein geübtes Spiel, daß diejenigen Fraktionen, die in den Ländern wenig oder keine Verantwortung tragen, sich leichttun mit der Forderung nach bundeseinheitlichen Regelungen, nach einer Gesetzgebung, die hier in Wien geschieht, auch dann, wenn verfassungsrechtlich die Kompetenzen ganz eindeutig bei den Ländern liegen. (Abg. Dr. Kier: Das stimmt nicht! Das ist falsch!)

Da halten wir Regierungsfraktionen es anders: Wir haben die Verantwortung hier wahrzunehmen, und wir haben zur Kenntnis zu nehmen – ob uns das jetzt im Einzelfall paßt oder nicht –, daß es sich beim Jugendwohlfahrtsgesetz um ein Grundsatzgesetz handelt, das dann den Ländern zur Ausführung überlassen wird.

Frau Abgeordnete Stoisits und meine Damen und Herren von den Liberalen und von den Grünen! Genau diese Linie zieht sich ja durch Ihren Abänderungsantrag – es ist ja kein Entschließungsantrag, als den Sie ihn vorhin bezeichnet haben, sondern ein Abänderungsantrag –: Sie mißtrauen den Ländern. (Abg. Mag. Stoisits: Mit Recht! Mit Recht mißtraue ich ihnen! – Abg. Dr. Kier: Mit Recht!) Sie wollen mit Ihrem Abänderungsantrag den Ländern massiv vorgeben, was zu tun ist und was zu geschehen hat. – Das geht nicht! Das wollen wir nicht! Diesbezüglich hat zum Beispiel der Verfassungsdienst in seiner Begutachtungsstellungnahme zum ersten Ministerialentwurf klare Grenzen gezogen, auf die wir dann auch reagiert haben. Wir haben nicht nur datenschutzrechtlich auf Einwendungen reagiert – und das ist gut so –, wir haben auch auf Einwendungen des Verfassungsdienstes reagiert. (Abg. Großruck: Die haben ja keine Ahnung!) Es ist einfach nicht statthaft, daß wir hier genau vorgeben, welche Bediensteten die Qualifikation eines diplomierten Sozialarbeiters zu erbringen haben und welche nicht. (Abg. Dr. Kier: Der braucht überhaupt keine Qualifikation ...!) Das sollen und werden die Länder tun.

Darüber hinaus wissen Sie, Frau Abgeordnete Stoisits – weil Sie sich ja, wenn sie mit dem Obmann Ihrer Partei sprechen, gleichzeitig auch mit einem Universitätsgelehrten unterhalten –, doch sicherlich, daß man, wenn man in einem Grundsatzgesetz so klar ausführt, daß dem Ausführungsgesetzgeber kein Spielraum mehr bleibt, selbst gesetzgeberisch tätig zu werden, per definitionem verfassungswidrig agiert. Das können Sie von den Regierungsfraktionen nicht erwarten! (Abg. Dr. Kier: Aber das Niveau kann festgelegt werden! Das Niveau!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Insgesamt ist aber dieses Jugendwohlfahrtsgesetz indirekt auch eine Bestätigung für die gute Entwicklung, die die Jugendwohlfahrt in unserem Lande nimmt und die auch durch den Jugendwohlfahrtsbericht, den das Hohe Haus vor nicht allzu langer Zeit diskutiert hat, bestätigt wird. Die Jugendwohlfahrt, die sich um zirka 1,5 Prozent der Jugendlichen, der Kinder in diesem Land kümmern muß, tut das in immer höherem Maße innerhalb der Familien, im Konsens mit den betroffenen Familien und versucht, so weit wie möglich auch familienähnliche Einrichtungen zur Jugendwohlfahrt herbeizuführen.

Ich lasse mir in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit, Pflegeeltern einzusetzen, nicht kaputtreden. Wenn Sie, Frau Abgeordnete Stoisits, von Pflegeeltern Qualifikationen – Lehrgän


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