Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 165. Sitzung / 39

gar nicht wahr!) Denn das würde ja letztlich teilweise ihre Selbstabschaffung bedeuten, und wer wirkt schon gerne an seiner Selbstabschaffung mit?

Es ist systemimmanent, daß wir uns in einem Spannungsfeld zwischen dem Standpunkt: Ich habe das Monopol auf Vertretung von allen und jedem, und bist du nicht willig, so brauche ich gesetzliche Gewalt! einerseits und dem Wettbewerb andererseits befinden. Das ist ein Gegensatz, der gar nicht größer sein könnte!

Ich erinnere mich schon noch an das Ergebnis der Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union, wie glücklich und stolz unsere Wirtschaftskämmerer waren, daß sie durchgesetzt haben, daß man mit Hilfe der österreichischen Gewerbeordnung auch in Zukunft Gewerbetreibende in Österreich diskriminieren darf. Bedingung der Europäischen Union war nur, daß EU-Bürger nicht mehr diskriminiert werden dürfen (Abg. Mag. Peter: Aber die Inländer dürfen mehr diskriminiert werden!), aber die Verhandlungspartner in Brüssel waren fassungslos darüber, daß eine Wirtschaftsvertretungsorganisation sich dafür einsetzt, daß ihre Mitglieder so weit wie möglich unten gehalten werden, was Gewerbefreiheit anlangt. Sie haben sich gedacht, wenn Österreich sich selbst solche Wettbewerbsnachteile einhandelt und sich das selbst in Verhandlungen nicht ausreden läßt, dann müssen wir es eben dabei lassen, dann will es in seinem alten Biotop bleiben, wo alles reguliert ist.

Herr Bundesminister! Sie haben einige richtige Sachen gesagt, und auch in der Debatte sind bemerkenswerte Dinge hervorgekommen. Ich frage mich nur: Warum geschieht dann das eine oder andere nicht? Warum ist dann Herr Präsident Maderthaner in der Lage zu sagen, er hat ein fundamentales Interesse und wir haben eine lange Tradition? Diese Aussage in bezug auf die lange Tradition hört sich für mich an wie eine gefährliche Drohung, denn diese lange Tradition ist eine Tradition der Preisregulierung und der Gewerbeunfreiheit. (Abg. Tichy-Schreder: Ist ja nicht wahr! Das ist nicht wahr!) Daher meine ich, daß dieser Aspekt nicht Selbsterkenntnis, sondern Sonntagsrede ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sonntagsrede ist für einen Wirtschaftsstandort zuwenig! (Abg. Tichy-Schreder: Das ist ein altes Denken!) Das ist zuwenig, Frau Kollegin! (Abg. Tichy-Schreder: Sie wissen noch nicht, was sich am Markt verändert hat!) Denn wir machen weiterhin Schutz der Mitbewerber (Abg. Tichy-Schreder: Sie reden noch in Gedanken wie vor zehn Jahren!) statt Wettbewerbsschutz. Der Herr Bundesminister hat richtig gesagt, wir brauchen Wettbewerbsschutz statt Schutz der Mitbewerber, aber wir betreiben weiter den Schutz der Mitbewerber durch ein Gewerbezulassungsrecht, das seinesgleichen sucht und das die Menschen, die sich selbständig machen wollen, verspottet! – Punkt eins. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Tichy-Schreder.)

Punkt zwei: Herr Bundesminister! Es ist richtig, daß Sie für das Kartellrecht nicht direkt zuständig sind, aber indirekt schon. Denn ich kann mir keinen Justizminister vorstellen, der ein Kartellgesetz macht, ohne Ihre Wirtschaftsexpertise dabei mitzuberücksichtigen. Aber für die Gewerbeordnung, Herr Bundesminister, sind Sie höchstselbst verantwortlich, und die Gewerbeordnung aber ist nach wie vor eine Wettbewerbsbremse sondergleichen (Abg. Tichy-Schreder: Im Gegenteil! Ein Wettbewerbsvorteil in der Europäischen Union!) und ein wettbewerbsverhinderndes Instrument – und, ich sage es Ihnen noch einmal, die Rechnung dafür zahlen wir alle täglich (Abg. Tichy-Schreder: Im Gegenteil! Den Vorteil davon haben wir täglich!), und das ist etwas, was mir Schmerzen bereitet –, denn sonst würde nämlich die vorgesehene Kartellgesetznovelle nicht wieder die Sozialpartner in unverhältnismäßigem Ausmaß privilegieren, sie würde selbstverständlich den Kartellanwalt vorsehen. Wenn Sie die Entwürfe des Justizministers gelesen haben, dann wissen Sie, daß bestimmte Reformvorhaben ausdrücklich nicht in den Entwurf übernommen wurden, weil sie politisch nicht durchsetzungsfähig sind.

Es sind im Kartellgesetz weiterhin Ausnahmen für Banken und Versicherungen enthalten. Es ist weiterhin kein Verbot der unverbindlichen Verbandsempfehlungen vorgesehen. Der unabhängige Kartellanwalt ist weit und breit nicht in Sicht, die Sozialpartner sind weiterhin hauptsächlich die Laienrichter, und außerdem – das ist ganz wichtig – dürfen sie den Titel "Kommerzialrat" führen, wenn sie Laienrichter sind.


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