Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 165. Sitzung / 57

und humanitäre Konfliktfall, die schlimmste Katastrophe in diesem Teil der Welt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gewesen.

Man muß an dieser Stelle auch dazusagen, daß alle betroffen gewesen sind. Da gibt es keine Sieger und keine Verlierer. Es haben alle verloren. Die Hälfte dieser sechs Millionen Flüchtlinge kommt aus Bosnien. Aber es haben auch je ein Drittel Kroaten, Serben und jetzt Kosovo-Albaner ihre Heimat, manchmal auch ihre Gesundheit oder ihr Leben verloren. In einem solchen Krieg gibt es am Ende keine Sieger, es gibt am Ende nur Opfer, Ruinen, Schutt, Wunden, die wahrscheinlich Jahrzehnte, vielleicht sogar länger brauchen werden, um überhaupt zu heilen. Das ist der Punkt!

Man sollte auch hinzufügen, daß wir eine bittere Lektion lernen mußten, jeder in diesem Teil Europas, der sich sicher glaubte. Wir mußten die Lektion lernen, daß wir einfach nicht mehr wegschauen können, ja dürfen. Es ist in diesem Jahrhundert zu oft weggeschaut worden (Abg. Dr. Ofner: Das glaube ich! Bei manchen Sachen schauen wir heute noch weg!), ob es im Falle der Armenier gewesen ist, ob es im Falle der Deutschsprechenden gewesen ist, die vertrieben worden sind, ob es im Falle der Opfer des Stalin-Terrors gewesen ist, ob es im Falle jüdischer Mitbürger gewesen ist, ob es im Falle der Vertreibungen ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.) – Ich habe es erwähnt. Sie brauchen mich jetzt nicht mit Zwischenrufen zu quälen. Ich habe dies genauso gesagt wie Sie. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich meine, die Gemeinsamkeit auch dieses Hohen Hauses und die Gemeinsamkeit Europas muß es sein, in einem solchen Konflikt nicht wegzuschauen, sondern sich zu engagieren, sich einzumischen. (Abg. Dr. Ofner: Sehr spät!) Solidarität, humanitäres Engagement, Mitleiden sind in diesem Sinn gefragt, und ich glaube, daß wir das auch tun.

Zu Recht wurde jetzt immer wieder auch die Frage aufgeworfen: Was hat Österreich eigentlich in diesem Konflikt getan? War es genug? Ich möchte nun gerne diese Gelegenheit wahrnehmen, dem Hohen Haus noch einmal in Erinnerung zu rufen, was Österreich getan hat.

Ich darf meinen Amtsvorgänger Alois Mock zitieren. Er hat seit Anfang dieses Konflikts, seit Anfang der neunziger Jahre, als absehbar war, daß dieses kommunistische Jugoslawien nicht zusammenbleiben wird und kann, immer dazu aufgefordert, gerade das Kosovo-Problem ernster zu nehmen. Es waren die Österreicher, die im Sommer 1990 im Rahmen der KSZE den Mechanismus der menschlichen Dimension gegenüber Jugoslawien ausgelöst haben. Das ist ein schriftlicher Mechanismus. Damals haben noch die anderen europäischen Länder mitgetan.

Die zweite Stufe ist ein mündlicher Verhandlungsmechanismus, und da war Österreich bereits allein. Da ist der österreichische Botschafter Leifer alleine mit Belgrad in Verhandlungen eingetreten, um diese Fragen zu erörtern.

Ich überspringe jetzt die Jahre dazwischen, ich nehme insbesondere das Jahr 1998 her, das im Kosovo-Konflikt das entscheidende Jahr gewesen ist. Ich war der erste europäische Außenminister, der am selben Tag nicht nur in Belgrad war, sondern auch noch nach Priština gefahren ist und Gespräche mit der kosovo-albanischen Führung gesucht hat. Österreich war das erste Land, das ein EU-Büro in Priština eröffnet hat, das dann zum Präsidentschaftsbüro aufgewertet wurde.

Die Österreicher waren die ersten, die eine umfassende Kosovo-Diskussion zum Thema des informellen Außenministerrats am 5. September in Salzburg gemacht haben. Die Österreicher waren die ersten, die in Alpbach den moderaten serbischen Politikern, Premierminister Dodik aus der Republika Srpska und Ministerpräsident Djukanović, die die einzige demokratische Alternative in Jugoslawien waren, eine Plattform geboten haben und sie in Alpbach – das war unser Beitrag dazu – mit den moderaten albanischen Kräften, etwa mit Veton Suroi, einem Chefverhandler später in Paris und Rambouillet, zusammengebracht haben.

Wir waren diejenigen, die zum erstenmal überhaupt einen EU-Sonderbeauftragten für den Kosovo, den damaligen Botschafter Österreichs in Belgrad, beschlußmäßig gegen harten Widerstand mancher EU-Länder durchgebracht haben. Am 5. Oktober wurde dann Wolfgang


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