Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 165. Sitzung / 58

Petritsch einstimmig zum Sonderbotschafter. (Abg. Jung: Was haben wir zusammengebracht, Herr Minister?) – Erlauben Sie, daß ich zunächst einmal die Initiativen aufzähle. Sie werden doch nicht ungeduldig werden?

Wir waren die einzigen, die noch im Oktober ein 10-Punkte-Programm für die Betreuung der Flüchtlinge entwickelt haben, das letztlich dann auch vom Außenministerrat der Europäischen Union beschlossen wurde.

Wir haben eine massive Ausweitung der ECMM im Kosovo, einer Beobachtertruppe der Europäischen Union, erreicht.

Wir haben dann das erste Mal ein Grundsatzpapier zur Kosovo-Problematik entworfen, und im Dezember 1998 wurde im Rahmen des Europäischen Rates der "EU Comprehensive Approach", ein regionaler Ansatz einer Balkanstrategie, beschlossen.

Wir waren die ersten, die eine Konferenz – in Belgrad übrigens – zur Verbesserung der jugoslawischen Mediensituation organisiert und für die Union bezahlt haben. Ich habe mehrere Male, dreimal insgesamt, die serbische demokratische Opposition nach Wien und auch nach Brüssel eingeladen. Im Dezember 1998 habe ich alle acht verschiedenen Gruppen, die in Opposition zu Milošević standen, nach Wien eingeladen, und sie sind alle gekommen: der ehemalige Ministerpräsident Panić, der frühere Notenbankpräsident Avramović, Obradović, Djindjić, Pesić – alle, wie sie auch heißen mögen.

Folgendes sage ich auch deutlich dazu: Das hat nicht genügt, denn mit Verhandeln und Angeboten allein war dem Diktator in Belgrad nicht beizukommen. Wir haben mit Wolfgang Petritsch, noch bevor die Amerikaner ihre Texte vorgelegt haben, die Inhalte eines politischen Lösungsprogramms vorgelegt und mit den Albanern diskutiert. Rambouillet basiert letztlich auf diesen Ideen, die durchaus beiden Seiten sehr ausgewogen geholfen hätten.

Die Serben hätten die Integrität und die Einheit Jugoslawiens behalten. Die Serben hätten erreicht, daß die Einheit des Landes erhalten bleibt. Die Serben hätten erreicht, daß die UÇK entwaffnet wird. Auf der anderen Seite hätten die Kosovo-Albaner eine weitestgehende Autonomie erreicht. Sie hätten freie Wahlen erreicht. Sie hätten eigene Sicherheitsstrukturen, allerdings nicht auf Provinzebene, sondern auf Gemeindeebene in Polizeistrukturen erreicht. Sie hätten eine militärische internationale Präsenz sichergestellt bekommen, die allen Sicherheit vor Übergriffen geboten hätte.

Am Ende haben alle akzeptiert: die Amerikaner, die Russen, die Kontaktgruppe, die Europäische Union, die Albaner. Die Serben haben zunächst den politischen Teil akzeptiert, haben ihre Zusage aber drei Wochen später in Paris wieder zurückgezogen. Den militärischen Teil haben die Serben und die Russen abgelehnt. Und die Dinge haben ihren Lauf genommen.

Wir wissen heute – das sei hier auch gesagt; Viktor Klima hat es auch schon ausgeführt, ich sage es nur etwas intensiver und präziser –, daß ab Mitte Jänner – damals waren es Gerüchte, heute haben wir Gewißheit – zeitgleich mit den Verhandlungen Milošević den Befehl gab, die militärischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, um eine ethnische Säuberungswelle im Kosovo zu erzwingen. Das ist das eigentlich Bittere: daß eigentlich von Anfang an – und das muß man aussprechen, man muß die Dinge beim Namen nennen – nicht die Serben – die können nichts dafür –, sondern Milošević ein Ziel im Kopf gehabt hat, nämlich, so lange wie nur irgend möglich die internationale Staatengemeinschaft hinzuhalten, die Amerikaner, die Europäer und die Russen, und mittlerweile alles so aufzubauen, um seine Säuberungspolitik umzusetzen. Das ist der eigentliche Skandal der Politik von Milošević. Das kann und darf Europa, auch Österreich, nicht hinnehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was kann man tun? lautet die Frage. Erster Punkt: Zunächst können und müssen wir natürlich humanitär helfen. Es sind im vorigen Jahr etwa 600 000 Vertriebene zu verzeichnen gewesen, seit Beginn dieses Jahres, vor allem seit März sind noch einmal 500 000 dazugekommen. Das sind über eine Million Menschen, Kosovaren, aber auch Serben, die ihren Arbeitsplatz, ihr Heim, ihr Dorf, ihr Haus verloren haben. Die meisten davon sind nach Albanien gegangen; zirka


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