Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 165. Sitzung / 59

350 000. Daher ist es völlig richtig, daß sich die österreichische Hilfe zunächst in Albanien konzentriert, in einem der ärmsten Länder Europas, dem wir materiell helfen – über die Union, Budgethilfe, Stabilisierungshilfe –, wo wir aber auch bilateral über das Österreich-Camp einen gewaltigen Impuls geben. Ende April wird dieses Österreich-Camp fertiggestellt und funktionsfähig sein. Wir sind übereingekommen, daß man die Zahl der Flüchtlinge durchaus erhöhen kann. Das ist überhaupt keine Frage. Wir sind darüber auch schon in Gespräche mit den albanischen Behörden und dem UNHCR eingetreten.

Zweiter Punkt: Wir müssen Mazedonien helfen. Ich habe die Zwischenrufe gehört, die da lauteten: Ist es eigentlich gescheit, jetzt aus Mazedonien Flüchtlinge auszufliegen? Eine ehrlich Antwort: Ja! Natürlich wäre es richtiger und besser, würden wir ausschließlich in der dortigen Region optimale Auffangbedingungen schaffen. Nur: Überlegen Sie einmal die Situation! Mazedonien ist ein Land mit ein paar hunderttausend, ich glaube, 700 000 Einwohnern. Überlegen Sie, was das für dieses Land bedeutet, das selber eine ganz delikate und heikle ethnische Balance hat, wo fast hunderttausend Serben leben, wo ein Drittel der Bevölkerung Albaner sind, wo durch diesen Konflikt ohnedies alles auf des Messers Schneide steht, wo jetzt eine Regierung an der Spitze des Landes ist, die die gemäßigten Albaner in eine Koalitionsregierung einbindet, aber wo sich natürlich auch einfache Menschen, Bauern, Menschen, die in dieser Region leben, fürchten, daß jetzt durch die 140 000 Flüchtlinge die ethnische Balance völlig verschoben wird!

Wir müssen daher dem Hilferuf der mazedonischen Regierung, die vorgestern in Person ihres Außenministers in Wien gewesen ist, Folge leisten und müssen helfen. Diese sagt: Helft uns! Wir können als kleines Land vielleicht 50 000 Leute aufnehmen, aber nicht 140 000. Und weitere 50 000 sollen im Anmarsch sein. Nehmt uns doch wenigstens für eine bestimmte Zeit 50 000, 60 000, 70 000 Menschen ab!

Ehrlich gesagt, ich finde es richtig, daß wir Österreicher dazu bereit sind. Wir haben gesagt: Wir nehmen 5 000, später 10 000 auf. Wir sind dazu bereit, und das ist richtig. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das soll keine Dauereinrichtung sein, denn die meisten Flüchtlinge wollen in ihre Heimat auch zurück. (Abg. Dr. Graf: Das haben Sie schon einmal versprochen!) – Ja, das ist richtig. Wir werden natürlich auch mit den Flüchtlingen reden. Das ist klar.

Was ich nicht richtig finde – das sage ich hier auch ganz offen –, ist, daß andere, oft sogar größere Länder der Europäischen Union nicht die gleiche Solidarität in einer solchen Situation mit dem kleinen, armen Mazedonien aufbringen. Das ist das, was mich stört. Bisher haben die Österreicher und die Deutschen und ein drittes Land – ich glaube, es sind die Franzosen – den Mazedoniern Flüchtlinge abgenommen. Es wäre dringend notwendig, daß dies auch andere tun. Es wäre notwendig, daß wir auch den Rhythmus durchhalten, daß praktisch jeden zweiten Tag ein Flugzeug kommt – mehr ist aus Sicherheitsgründen derzeit nicht machbar; wichtig ist, daß dieses Tempo wirklich durchgehalten wird (Abg. Dr. Gredler: Warum?), aus Sicherheitsgründen, wie ich schon gesagt habe – und man möglichst rasch die Flüchtlinge zu optimalen Bedingungen nach Österreich und nach Europa hereinholt.

Dritter Punkt: Wir müssen Montenegro helfen. Montenegro, eine kleine Provinz, eine Republik innerhalb Jugoslawiens mit einem demokratisch gewählten Präsidenten, ist im Moment in der schwierigsten Situation überhaupt. Der Präsident Montenegros steht natürlich unter unglaublichem Druck: Die Hälfte seiner Bevölkerung unterstützt Milošević, die andere Hälfte unterstützt ihn, und der Terror nimmt zu. Die Armee hat den letzten freien Grenzübergang nach Kroatien gesperrt, hat praktisch die Polizei weggedrängt, die loyalen Zöllner weggedrängt. Djukanović ist sozusagen eingekesselt. Was dringend notwendig ist, sind daher Signale, daß die Europäischen Union Montenegro nicht alleinläßt.

Der EU-Beauftragte Wolfgang Petritsch, mit dem ich vor kurzem telephoniert habe und der jetzt in Mazedonien ist, will nach Podgorica, nach Montenegro hinein, um ein solches Signal der Hoffnung und der Solidarität mitzubringen.


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