Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 165. Sitzung / 60

Ich würde sehr bitten, daß auch dieser Nationalrat ein solches positives Signal für die Demokraten in Montenegro in dieser Situation absendet. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Noch ein viertes Problem haben wir im Moment: Wir wissen nicht genau, wie viele es sind, aber wir vermuten, daß es zwischen 200 000 und 300 000 Menschen sind, die im Kosovo ihre Heimat verloren haben, aber noch nicht den Weg über die Grenze, über die Berge nach Albanien oder über die jetzt gesperrten Grenzübergänge nach Mazedonien oder nach Montenegro geschafft haben.

Wir überlegen wirklich verzweifelt auf allen Ebenen, was wir gemeinsam tun können. Wir sind in Kontakt mit Belgrad. Die Antwort Belgrads lautet: Kein Land ist in dieser Situation für uns neutral. Wenn überhaupt, dann reden wir nur mit dem Internationalen Roten Kreuz. – Gut, es soll so sein. Daher haben wir mit Herrn Präsidenten Sommaruga vom Internationalen Roten Kreuz sofort Kontakt aufgenommen und haben gesagt: Was immer Sie brauchen, Herr Präsident, Sie bekommen jede Unterstützung der österreichischen Bundesregierung: Logistik, Geld, Personal! Wir helfen!

Er hat sich sehr dafür bedankt, hat einen Sonderemissär nach Belgrad geschickt, der allerdings die notwendigen Bedingungen – Freiheit der Bewegung, wo immer die NGOs und die Rotkreuz-Vertreter hingehen wollen, sie dürfen in Belgrad nicht herumsitzen, sondern sie müssen ja vor Ort, in den Wäldern, in den Feldern, in den Dörfern helfen können – nicht garantiert. Wir brauchen Sicherheiten, und zwar von allen Seiten, sowohl von Belgrad als auch von der UÇK, als auch von der NATO, als auch von den paramilitärischen Verbänden. Diese werden allerdings im Moment nicht garantiert.

Wir sind im Moment mit Griechenland im Gespräch, weil sich die Chance ergibt, daß wir möglicherweise über einen griechischen Konvoi Hilfszüge in den Kosovo hineinbringen. Wir haben vereinbart, daß sowohl die Schweizer als auch wir, sollte dieser Weg erfolgreich sein, natürlich mittun wollen, weil man die Menschen – das sind wahrscheinlich die Ärmsten, weil sie es noch nicht geschafft haben, daß ihnen jemand hilft – nicht allein und nicht hängenlassen will.

Besonders besorgt macht uns in diesem Zusammenhang – das möchte ich auch nicht verschweigen –, daß sehr glaubwürdigen Gerüchten zufolge an die 100 000 männliche Kosovo-Albaner verschwunden sein sollen. Es gibt immer mehrere Möglichkeiten: entweder sie sind völlig untergetaucht, oder sie sind zur UÇK gegangen, oder es gibt – und es verdichten sich die Gerüchte darüber – mehr Massaker und mehr Erschießungen, mehr Opfer, als wir bisher geglaubt haben. Ich finde es auch sehr wichtig, daß die OSZE in den Flüchtlingslagern systematisch Erhebungen und genaue Aufnahmen macht und Erfahrungsberichte der Flüchtlinge darüber, was eigentlich geschehen ist, sammelt.

Am Ende – und das ist mein Schlußsatz – darf es nicht so sein, daß solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gegen die Menschenrechte, gegen Völker oder gegen einzelne ungeahndet bleiben. Es muß am Ende vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal all dies zur Sprache kommen, was wir heute vielleicht noch nicht wissen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Abgeordneten Mag. Peter und Hans Helmut Moser.)

Daher meine Zusicherung, Hohes Haus, jede nur erdenkliche Aktivität so wie bisher zu unterstützen. Ich möchte schon auch sagen: Mehr als wir hat kein anderes europäisches Land gemacht, und so soll, so muß es auch in Zukunft bleiben. So wie wir hat noch kein anderes europäisches Land seine Herzen und seine Geldtaschen geöffnet. Ich habe vorgestern eine Statistik gesehen, in der die einzelnen Leistungen der Regierungen aufgezeichnet sind. Da sind noch nicht einmal die Bürger mit eingerechnet, die bei der Aktion "Nachbar in Not" gespendet haben. Da liegen wir absolut und natürlich erst recht relativ in der Pro-Kopf-Zahl mit unserer Spendenfreudigkeit, mit unserer konkret angebotenen Hilfe an der Spitze.

Daher ein Danke an alle, die gespendet haben, und an alle, die es noch tun werden. Wir werden vieles brauchen. Wir werden nachher eine Wiederaufbauhilfe in der gesamten Region brauchen. Wir müssen die Dörfer wiederaufbauen. Das Österreich-Camp in Albanien könnte vielleicht später einmal ein Österreich-Dorf im Kosovo werden und wiederaufgebaut werden.


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