Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 165. Sitzung / 63

Dazu muß man noch etwa sagen, meine Damen und Herren. So sehr man Kritik üben kann an der Abwicklung und daran, wie die westlichen Staaten mit diesem Konflikt umgehen: Wer heute etwa ein Ende der NATO-Aktionen verlangt, ohne daß Milošević einlenkt, der verantwortet eine negative Beispielswirkung, die nicht nur in dieser Region, sondern für den Frieden in ganz Europa gefährlich ist. Denn es gibt genug Diktatoren in unserer Umgebung, die nur darauf warten, daß der Westen klein beigibt und einlenkt, damit sie dann ihre Kriegsziele, für die sie schon Pläne in ihren Schubladen haben, endlich auch verwirklichen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es ist aber, gerade da wir heute über die Europäische Union sprechen, auch notwendig, die Defizite aufzuzeigen, die in den letzten Jahren zum Vorschein gekommen sind. Aber darüber redet man nicht. Es sollte nicht darum gehen, jetzt irgendwelche Utopien wie etwa eine EU-Osterweiterung massiv zu diskutieren, von der selbst der Österreichische Gewerkschaftsbund in einer Studie sagt, daß es zwischen 17 und 45 Jahre dauern wird, bis diese verantwortungsbewußt umgesetzt werden kann, sondern wir sollten darüber diskutieren, welche Fehler die europäische Sicherheitspolitik gerade in diesem Konflikt am Balkan gemacht hat und welche Lehren wir denn daraus ziehen.

Das wäre wichtig für die Entwicklung Europas, denn das ist ja nicht von heute auf morgen gekommen. Ich erinnere an diese merkwürdige Anerkennungsdebatte in Zusammenhang mit Slowenien und Kroatien, als der damalige österreichische Bundeskanzler Vranitzky gesagt hat, für uns, für Österreich, ist der Ansprechpartner Gesamtjugoslawien. Das geschah zu einem Zeitpunkt, als die Demokratiebewegungen in Slowenien und Kroatien schon gehofft hatten, daß sie nach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker anerkannt würden.

Oder was war denn in Bosnien, wo eine hilflose UNO die Gebietsgewinne der Serben abgesichert und zugesehen hat, wie in Srebrenica Tausende Menschen ermordet worden sind?

Und wie schaut es denn jetzt aus im Kosovo? Was war denn etwa mit den Sanktionen, die man gegen Milošević angewendet hat und die schon gewirkt haben? (Abg. Wabl: Was geschieht denn jetzt im Kosovo?) Es gab schon Schwierigkeiten für diesen Diktator, Kollege Wabl, aber es war die Europäische Union – etwa Griechenland und andere Staaten –, die nicht einmal diese Wirtschaftssanktionen lückenlos durchsetzen konnte. (Abg. Wabl: Werden dort Sicherheitsbomben abgeworfen? Werden dort Solidaritätsbomben abgeworfen im Kosovo?) Und als es, Kollege Wabl, darum gegangen ist, einen vielleicht noch schlimmeren Kriegstreiber in die Schranken zu weisen, nämlich den Herrn Karadžić, da war plötzlich der Herr Milošević ein gerngesehener Verhandlungspartner und Friedensbringer bei dem Abkommen von Dayton. Also da fand eine klare Fehleinschätzung der Situation statt. (Abg. Dr. Petrovic: Eine klare Fehleinschätzung Ihrerseits!) Man hat Milošević wieder zu neuer Größe verholfen und ist damit mitverantwortlich für diese Situation. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da immer wieder gesagt wird, Österreich habe eine wichtige Aufgabe und solle in Zukunft vermittelnd tätig sein: Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Die Aufgabe Österreichs kann es nicht sein, irgendwelche diplomatischen Noten entgegenzunehmen, sondern wir sollten doch auch unsere Erfahrungen in dieser Region aktiv einbringen. Und wenn es um eine aktive Rolle geht, dann frage ich auch den Herrn Außenminister: Was hat man denn im letzten Jahr gemacht? Österreich hatte eine führende Rolle in der Europäischen Union. Man ist seit einem Jahr in der Troika, ein halbes Jahr hat man den Ratsvorsitz innegehabt. Was waren denn da die dynamischen Initiativen? (Abg. Mag. Kukacka: Das hat der Vizekanzler alles gesagt! Da haben Sie nicht aufgepaßt!)

Was war das Ergebnis, Herr Kollege? Das Ergebnis war, daß man die Verhandlungen in die Länge gezogen hat, und wir wissen ganz genau – wir haben ja Gespräche geführt –, daß man etwa bei der NATO vor einem Dreivierteljahr schon gewußt hat, daß es zu spät ist für einen klaren militärischen Druck. Als wir dies im Herbst im Außenpolitischen Rat verlangt haben, da haben Sie, Herr Außenminister – Sie werden es zugeben –, noch zu mir gesagt: Was stellen Sie sich vor, daß man hier militärisch machen sollte? Soll man Belgrad bombardieren? So quasi: Was bilde ich mir ein, da militärischen Druck zu verlangen? – In der Europäischen Union haben


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