Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 165. Sitzung / 65

quenzen umgemünzt. Sie haben nicht zur Aufdeckung von Schwächen geführt, sondern sehr oft sind solche Schwächen verschwiegen worden.

Klare Strukturen und damit die Verantwortung des Verwaltungsapparates haben viel zu oft gefehlt, und die Loyalität von Beamten wurde schlicht und einfach durch Immunität erkauft.

Die Designierung von Romano Prodi zum neuen Präsidenten der Kommission innerhalb von nur zehn Tagen nach der Niederlegung der Funktionen der alten Kommission hat die Entscheidungsstärke dieser Europäischen Union unter Beweis gestellt. Dieser Konflikt zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission, vor allem aber die unverzügliche Neubestellung eines glaubhaften neuen EU-Kommissionspräsidenten haben dazu geführt, daß wir zu einem neuen Selbstverständnis der Europäischen Kommission gelangen werden.

Meine Damen und Herren! Das Ergebnis – davon bin ich überzeugt – wird eine dynamischere, eine politischere und vor allem eine integerere Europäische Union sein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die nachhaltigen Bemühungen des österreichischen sozialdemokratischen EU-Abgeordneten Herbert Bösch und seine Kritik an bestehenden Zuständen haben auf diese Art und Weise zu einem Demokratieschub in der Europäischen Union geführt. (Abg. Dr. Gredler: Kommt er wieder ins Parlament? – Weitere Zwischenrufe beim Liberalen Forum.) Meine Damen und Herren! Er wird sicher Abgeordneter zum Europäischen Parlament bleiben. Ich darf Sie beruhigen. (Neuerliche Zwischenrufe beim Liberalen Forum.) Bei Ihren Abgeordneten und den Tönen, die Sie anschlagen, Frau Kollegin, ist das hingegen nicht ganz so sicher. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die brennendste Frage, nämlich der Krieg in Serbien, konnte aber bedauerlicherweise weder am Berliner Gipfel noch am jüngsten Gipfel in Brüssel einer Lösung zugeführt werden.

Meine Damen und Herren! Betrachten wir die Fakten! Das serbische Regime unter seinem Präsidenten Milošević hat in den letzten Monaten eine unmenschliche Vertreibungspolitik begonnen. In einer seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr gekannten Brutalität wurde die Zielsetzung einer irren ethnischen und nationalistischen Politik mit Mord, Zerstörung und Vergewaltigung verfolgt.

Die Verhandlungen von Rambouillet konnten dieser Politik keinen Einhalt gebieten. Die Hoffnung auf eine friedliche Lösung dieses ethnischen Konfliktes konnte in diesen Verhandlungen nicht erfüllt werden. Sie ist an einem verblendeten serbischen Nationalismus gescheitert.

Als die Unmöglichkeit einer vertraglichen Lösung dieses Konfliktes klar schien, reagierte daher die Mehrheit der Staaten der NATO – wie es vorher immer wieder angekündigt wurde – mit einem Militärschlag. Seit 24. März werden Nacht für Nacht Ziele in Serbien und im Kosovo bombardiert. (Abg. Jung: Und dadurch werden die Kosovaren vertrieben!) Wir haben aber auch zu konstatieren, daß uns 29 Tage an Bombardements der Lösung dieses brennenden Problems nicht nähergebracht haben.

Militärs sagen uns, daß dieser Krieg noch Wochen – manche sprechen sogar von Monaten – dauern kann. Ich habe Verständnis dafür, daß Staaten der NATO diese Reaktion an den Tag gelegt haben. Es muß mich aber auch nachdenklich, ja verzweifelt stimmen, wenn die NATO-Staaten ihre angestrebten humanitären Ziele nach einer so großen Anzahl von Bombardements noch immer nicht erreicht haben, ja wenn ihre Erreichung in weite, weite Ferne gerückt ist.

Meine Damen und Herren! Unleugbar ist nämlich beides wahr: Das Genozid, diese Vertreibungspolitik im Kosovo, hat bereits vor den Militärschlägen begonnen. Es ist aber auch erwiesen und unleugbar, daß die Flüchtlingswelle seit den NATO-Bombardements ein Ausmaß erreicht hat, das nur mit jenen Flüchtlingsströmen vergleichbar ist, die es zu Ende des Zweiten Weltkrieges und danach gegeben hat. (Abg. Jung: Was die Serben begonnen haben, hat die NATO zum Laufen gebracht!


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