Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 165. Sitzung / 69

wirklich aufpassen müssen, daß sie hin und wieder die europäische Dimension mitgekriegt haben; also insofern paßt es genau hinein, zu erzählen, wie sehr doch die Nationalstaaten und insbesondere Österreich gewonnen hätten –, wenn es also nationale Gewinner gibt, kann es nur einen Verlierer geben, und das ist Europa. – Und genau das ist bei diesem Gipfel in Berlin geschehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das ist ein Zitat Junckers, das ich sehr gerne aufnehme (Zwischenruf des Abg. Schwarzböck), denn dieses Zitat trifft den Punkt; es trifft den Punkt, daß Sie immer noch einzelstaatlich denken, daß Sie es nicht schaffen, gemeinschaftlich zu denken. Und weil Sie nicht gemeinschaftlich denken können und immer nur die "Österreich zuerst"-Mentalität leben, die eine Partei vorgegeben hat – aufgrund der Umfragen glauben Sie, sie jetzt übernehmen zu müssen –, gibt es kein gemeinsames Handeln. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.)

Nun komme ich zur Tragik, der wir alle jetzt gegenüberstehen: dem Kosovo. Ich glaube schon, daß man sagen kann – auch wenn man nicht weiß, wie sich die Dinge wirklich entwickelt hätten, was alles man hätte verhindern können; man ist immer klüger, wenn man selbst nichts entscheiden muß und wenn man die Dinge retrospektiv betrachtet –, daß einer der Gründe dafür, daß es zu dieser Katastrophe gekommen ist – einer jedenfalls –, der Mangel an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union ist. Denn, ohne überbewerten zu wollen, was Embargos, was Wirtschaftssanktionen bewirken können, vor allem über einen langen Zeitraum – es gibt dafür unterschiedliche Beispiele –: Daß die wirtschaftlichen Sanktionen und die Embargos, die durchgeführt hätten werden können, innerhalb der Europäischen Union nicht durchgehalten wurden, zeugt von der Überordnung der einzelstaatlichen Interessen gegenüber den gemeinsamen Interessen. Es werden vor allem wirtschaftliche Interessen über politische Verantwortung gestellt.

Dies war innerhalb der Europäischen Union der Fall, und ich bin überzeugt davon, daß dies einer der Punkte war, um zu sagen: Es passiert eigentlich nicht wirklich viel. – Übrigens: Ich gebe schon zu, daß es für Österreich als einziges Land vielleicht etwas schwieriger gewesen wäre, Maßnahmen zu setzen, aber man müßte doch auch einmal die Selbstverständlichkeit, mit der unsere AUA bis vor wenigen Wochen noch nach Belgrad geflogen ist, hinterfragen. Welche Isolationsmöglichkeiten hätte es denn gegeben? – Natürlich sind davon auch immer Unschuldige betroffen, nur: Wodurch als durch einen Krieg sind Unschuldige noch mehr betroffen? – Aus diesem Grunde hätte man vorher sehr wohl abwägen und überlegen können, was es noch an Möglichkeiten gibt.

Ich meine, daß eine konzentrierte europäische Informationspolitik, in dieses Land hineingetragen – das sind nur viele kleine Mosaiksteine –, sehr wohl etwas hätte bewirken können, nämlich die Isolation von Milošević von seinem serbischen Volk. Das Gegenteil aber wurde mit diesem NATO-Schlag erreicht. Das Gegenteil ist passiert, nämlich die Solidarisierung eines Volkes, das vorher mit diesem Mann zum Teil nichts zu tun haben wollte. Auch das muß man berücksichtigen, und man muß sich daher die Frage stellen: Was hätte man vorher mit welchen Instrumentarien aufbereiten können?

Die Liberalen sind – ich werde später noch darauf zurückkommen – immer für die Westeuropäische Union, das heißt für ein europäisches Sicherheitssystem, und zwar auch mit einem militärischen Arm, nämlich einer Europaarmee, einem Eurokorps, eingetreten. Ich weiß schon, daß die Umsetzung nicht so rasch erfolgen kann, aber man hat ja gar nichts in diese Richtung unternommen!

Ich meine, wenn es darum gegangen wäre, ein europäisches Instrumentarium einzusetzen, dann hätte es im Vorfeld ganz andere Überlegungsketten gegeben als jene, die dann, insbesondere von den Amerikanern dominiert, durch die NATO erfüllt wurden.

All das zusammen zeigt mir, daß die europäische Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ein sehr wichtiges Standbein ist, um das Friedenskonzept für Europa auch tatsächlich zu verwirklichen. Aus diesem Grunde ist es so wichtig, sich damit und auch mit der Frage: Welchen Beitrag kann Österreich dazu leisten? auseinanderzusetzen.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite