Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 165. Sitzung / 70

Da jetzt davon gesprochen wird, daß Österreich als neutraler Staat eine besondere Rolle hätte und einen besonderen Beitrag leisten könne, muß ich sagen: In diesem Zusammenhang wäre zu Recht die humanitäre Seite die ausschlaggebende.

Und da muß ich schon folgendes sagen: Von der Regierungsbank aus wird Dank an die Bevölkerung ausgesprochen – zu Recht! Dank an die Bevölkerung ist zu Recht auszusprechen, nur: Das, was sich die Politik auf ihrem Weg zum humanitären Beitrag geleistet hat, ist beschämend. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Sie können jetzt nicht deswegen, weil wir heute ein Stück weiter sind, so tun, als wäre all das vergessen. Ich erinnere an jene Woche, in der nichts geschehen ist, in der andere Länder aber bereits agiert haben – das neutrale Österreich, das sich herausnimmt, eine Sonderstellung zu haben, hat in dieser Zeit jedoch nichts gemacht; im Gegenteil, Herr Schlögl erzählte, daß die Grenzen zu schließen seien, meint jetzt aber, daß man vielleicht von der Quote abgehen solle, oder doch nicht, und so weiter –, und jetzt möchte man das als einen Beitrag verkaufen. Ich halte das wirklich für zynisch. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Denn das ist nicht der Beitrag, den ein neutrales Land, wenn es tatsächlich ein solches wäre, leisten kann.

Für mich ist folgendes erstaunlich: der Schulterschluß des neuen Klubobmannes der Freiheitlichen mit dem Herrn Kanzler; beide sagen: Eigentlich ist im Moment eine Sicherheitsdebatte völlig unnötig. – Etwas Skurrileres kann ich mir nur schwer vorstellen!

Wenn hier jetzt auf andere neutrale Staaten in der Europäischen Union verwiesen wird, dann bitte ich doch, so redlich zu sein, die unterschiedlichen Positionen herauszuarbeiten. Während nämlich andere Staaten blockfrei sind, haben wir eine Neutralität mit der völkerrechtlichen Verpflichtung der Gleichbehandlung allfälliger Streitparteien – und da schaut die Geschichte schon ganz anders aus. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Mag. Klima.)

Ich wundere mich daher nicht darüber, daß der Vizekanzler in seiner Erklärung so nebenbei gesagt hat – wie haben Sie, Herr Vizekanzler, gesagt? –: Kein Land ist in dieser Situation für uns neutral!, sei von Belgrader Seite gekommen. Ich wundere mich nicht darüber, daß die das sagen, denn es ist ja auch gar nicht verwunderlich, wenn Österreich nicht mehr als neutral empfunden wird, und zwar aus den verschiedensten Gründen.

Herr Bundeskanzler! Ich halte es für richtig, daß Sie die Erklärung der europäischen Staatschefs mitgetragen haben, nämlich die Erklärung betreffend den NATO-Schlag. Ich habe im Vorfeld gesagt, was ich diesbezüglich an Kritik anzubringen habe. Es geht nur darum, daß in dieser Situation etwas geschehen ist, was anscheinend als letzte Konsequenz gesehen wurde. Da diese Konsequenz ergriffen wurde, ist es nun, glaube ich, nötig – dies ist zwar schrecklich, aber notwendig –, daß alle zusammenstehen und jedenfalls versuchen, das zu erreichen, was einmal das Ziel war – es konnte ja bisher nicht erreicht werden, im Gegenteil!

Ich halte es daher für richtig, daß Sie davon gesprochen haben, daß die Aktion notwendig ist. Damit haben Sie aber eine klare Position bezogen, und daher dürfen Sie sich nicht wundern, wenn Belgrad sagt: Für uns ist keiner neutral! (Zwischenruf des Abg. Dr. Fischer.)

Ich weiß schon, daß hier immer mit einer moralischen Wertung agiert wird, aber wir wissen genau, mit wieviel Sensibilität die Aufgaben von Neutralen verbunden sind. Und wenn sogar besiegelt wird, daß ein militärischer Schlag richtig ist, kann man doch nicht erwarten – die Neutralität ist ja kein Selbstzweck; Sie leben ja davon, daß der Gesprächspartner Sie als Neutralen anerkennt –, daß man als Neutraler anerkannt wird! Schon gar nicht kann man das erwarten, wenn im Vorfeld dieser Katastrophe offensichtlich ist, daß man in diesem Land nicht weiß, ob man neutral sein möchte oder nicht lieber der NATO beitreten sollte oder sonst etwas! (Abg. Jung: Ein bißchen neutral!)

Genau das ist ja der Punkt, und deswegen haben Sie Ihren Optionenbericht nicht vorgelegt: Sie wußten ganz genau, daß durch den Beitritt zur Europäischen Union natürlich – ich drücke das jetzt sehr wertfrei aus – ein Spannungsverhältnis zwischen Neutralität und Gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik entstanden ist – und das ist sehr wohlwollend ausgedrückt.


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