Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 165. Sitzung / 90

Herr Klubobmann Khol hat richtig gesagt: Es wird ohne Rußland keinen Frieden in dieser Region geben. Das ist richtig, aber ist diese Erkenntnis neu? Wie hat die EU die Initiative von Premier Primakow behandelt, wie hat sie sie gewürdigt? Wie ist er nachher dagestanden? – Ist das die Art, wie man einen potentiell wichtigen Bündnispartner behandelt?! Ist das die Art, wie man signalisiert, daß es ohne Rußland keine Legitimation wenigstens späterer Aktionen durch den Sicherheitsrat der UNO geben wird?!

Wie hat sich Österreich in dieser Frage verhalten? Hat es sich einfach nicht durchgesetzt? Hat die Öffentlichkeit, haben unsere EU-Politiker, oder haben vielleicht die Amerikaner realisiert, daß in Rußland im Herbst Wahlen sind und daß die Kosovo-Krise, je nachdem, wie sie vom Westen behandelt wird, nicht ohne Auswirkungen auf die Wahlen in Rußland bleiben wird? Hat sich jemand überlegt, wie das langfristig den sicherheitspolitischen Interessen Westeuropas dienlich ist?

Sie sehen, ich versuche einfach, vorauszudenken, langfristige Folgen mit einzukalkulieren und mich etwas von den Emotionen abzusetzen, die im Kosovofall jeder natürlich untrennbar hat.

Aber es nützt nichts: Wir müssen außerdem noch der Politik die Priorität zurückgeben, die sie jetzt eben nicht hat. Jetzt ist man sozusagen einer militärischen "Logik" verfallen, die nichts außer Kapitulation kennt. Mehr ist ja momentan nicht gegeben für Milošević; zwischen dem Konsens von Rambouillet und der Kapitulation gibt es scheinbar nichts. Wir aber meinen, es muß sehr wohl Alternativen geben – außer einer Fortsetzung des Bombenkriegs gegen Jugoslawien. (Beifall bei den Grünen.)

Ausdrücklich hervorheben möchte ich jene Initiative, die Sie, Herr Außenminister, heute genannt haben, nämlich gemeinsam mit der Schweiz dem Roten Kreuz Möglichkeiten im Kosovo zu verschaffen, und ich möchte nicht verhehlen, daß das genau das ist, was auch wir befürworten und unterstützen.

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir abschließend – ich bin ja ein Ökonom – ein Wort zur sogenannten Kostenfrage dieses Konflikts. Mit tiefem Groll entnehme ich – ansonsten nicht uninteressanten – Zeitungen und Zeitschriften immer wieder die gleichen Zahlen. So werden beispielsweise die Kosten für diesen Krieg in der Ausgabe des "Spiegel" von dieser Woche mit rund 800 Millionen Schilling pro Tag angegeben.

Wie werden diese Kosten ermittelt? – Das sind immer die Kosten der abgeschossenen Marschflugkörper, der Munition, des Kraftstoffes et cetera und vielleicht einige Personalkosten. – Eine solche Rechnung ist doch bitte derart absurd, daß ich mich wirklich frage, wie das zustandekommt. Es ist nämlich so, daß einerseits die Kosten unterschätzt, andererseits aber überschätzt werden.

Das Abwerfen einer Bombe kostet zunächst einmal nichts. Diese Bomben stammen eher aus dem Lager, und daher sind die Kosten in der Vergangenheit angefallen. Aber was die Kosten verursacht, ist die Tatsache, daß die Bombe unten ankommt. – Also wenn allein die Kosten der NATO in der Größenordnung von 1 Milliarde Schilling pro Tag liegen, und wenn wir der NATO ein Mindestmaß an ökonomischer Rationalität unterstellen – eine fragwürdige Annahme –, dann können wir davon ausgehen, daß der Schaden, der angerichtet wird, natürlich erheblich höher sein wird als das, was man selbst aufwendet, sagen wir also 3 Milliarden Schilling pro Tag, also für einen Monat rund 100 Milliarden Schilling insgesamt. Wenn das so weitergeht, dann werden das Hunderte Milliarden Schilling insgesamt sein, umso mehr, je länger der Krieg eben dauert.

Wer wird denn den Wiederaufbau Serbiens finanzieren? – Das werde ich in der U-Bahn immer gefragt; ich hoffe, auch Sie als meine Kollegen Politiker und Politikerinnen. Jeder Tag in diesem Krieg kostet einige Milliarden mehr, eben nicht nur aufgrund des leidigen Bombenabwurfs, sondern aufgrund der Schäden, die dabei verursacht werden.

Ich kann nur sagen: Wenn man doch nur einen Bruchteil dieser Summe im vorhinein aufgewendet hätte: für die Flüchtlingshilfe, für die Wirtschaftshilfe in dieser Region! Ja "wenn"! – Das,


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