Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 165. Sitzung / 105

Herr Abgeordneter Schuster! Sie haben vorhin mit gediegener Stimme von der Notwendigkeit, etwas gegen Temelin zu tun, gesprochen. Sie verweisen auf die Bundesregierung, auf die Landtage, auch auf die Bevölkerung, aber Sie selbst fühlen sich offensichtlich überhaupt nicht angesprochen und aufgefordert, etwas zu tun. Ich kann aber niemanden hier im Hohen Haus ernst nehmen, der zwar von diesem Rednerpult aus meint, er sei auch gegen Temelin, nur tun wolle er eigentlich nichts. (Abg. Mag. Mühlbachler: Doch!) Ich halte das für vermessen! (Abg. Mag. Mühlbachler: Wir haben etwas getan in meinem Bezirk!)

Wir haben offenbar – das entnehme ich den Wortmeldungen aller fünf Fraktionen – eine gemeinsame Meinung zu Temelin. Diese angeblich gemeinsame Meinung ist, daß wir gegen die Inbetriebnahme dieses Atomkraftwerkes sind. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler.) Regen Sie sich nicht so auf! Offenbar habe ich Ihren wunden Punkt getroffen, nämlich daß Sie sehr – um es höflich zu formulieren – zwiespältig oder vielleicht auch sehr scheinheilig argumentieren. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Wenn man – und das entnehme ich allen Debattenbeiträgen, und zwar wirklich von allen fünf Parteien – gegen die Inbetriebnahme von Temelin ist (Abg. Mag. Kukacka: Sie haben keine Ahnung!), dann kann man über die unterschiedlichen Strategievorstellungen diskutieren. Und ich lasse mir ja gerne einreden, daß jede Fraktion eine andere Vorgangsweise vorschlagen würde.

Aber eigentlich ist es so, daß uns zwar in allem recht gegeben wird, gleichzeitig aber wird es abgelehnt, unseren Antrag überhaupt nur zu debattieren! Ich möchte mich bei meinem Vorredner Thomas Barmüller noch einmal bedanken. Er hat das vollkommen richtig skizziert. Es geht hier und heute nur darum, darüber abzustimmen, ob noch vor dem 19. Mai in diesem Haus eine entsprechende Initiative ergriffen wird – und nicht über den Inhalt des Antrages!

Wir hatten heute hier stundenlang eine Kosovo-Debatte, in der immer wieder durchgeklungen ist: Ja, nachher ist man gescheiter, und man hätte doch im Vorfeld so viel tun müssen! – Richtig! Nur: Dort, wo es möglich wäre, im Vorfeld zu agieren, versagt offensichtlich die Politik auf allen Ebenen – auch jene hier in diesem Haus.

Wir haben in vielen Themenbereichen der internationalen Politik im Grunde kein Gewicht, weil wir ein sehr kleines Land sind. Es gibt aber einige Themenbereiche, in denen Österreich, gerade auch weil es ein kleines Land ist und gerade aufgrund seiner Geschichte und Tradition, tatsächlich einen bestimmten Einfluß hätte. Was Temelin betrifft, haben wir eine Chance. Es gibt eine sehr reale Chance! Wir Grünen schlagen nun mehrere Strategien vor.

Eine Strategie wäre zum Beispiel, daß sich der Bundeskanzler – und zwar als Chef der Bundesregierung – an die Spitze einer Offensive setzt, um zu zeigen, welch wichtiges Anliegen der gesamten Bundesregierung und damit der gesamten Bevölkerung das ist. Er sollte ad personam mit Premierminister Zeman verhandeln und versuchen, der tschechischen Regierung die Angst vor einem Prestigeverlust zu nehmen, denn vorwiegend darum geht es jetzt in Tschechien. Man kann derzeit mit vielen Leuten in Prag darüber reden, und die meisten sehen ein, daß dieses Projekt Temelin weder ökologisch noch ökonomisch Sinn macht. Vor allem ökonomisch macht es keinen Sinn!

Man soll nicht gutes Geld dem schlechten nachwerfen. Das ganze Projekt macht – das zeigen die Studien, die Kollege Oberhaidinger angesprochen hat – ökonomisch überhaupt keinen Sinn. Das wissen die Zuständigen in Prag auch. Deren Problem ist jetzt aber sozusagen: Wie sagen wir es der Bevölkerung? Wie legitimieren wir denn die vielen Milliarden, die schon investiert wurden? Wie kann man diesen Fehler zugeben?

Es ist gerade für eine Regierung sehr schwierig, zuzugeben, daß man einen schweren Fehler gemacht hat, auch wenn die Regierungspartei damals in Opposition war. Ich erinnere an all jene Vorfälle, die es vor Zwentendorf in Österreich gegeben hat. Dabei geht es um das Prestige, um das Ansehen einer Regierung. Und dieser Angst und dieser Irrationalität muß man entgegentreten.


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