Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 166. Sitzung / 104

Nun kommen wir zum Kernproblem dieser gelinderen Mittel: Es ist erfreulich, daß es eindeutige gesetzliche Zuständigkeitsregelungen gibt, daß Flüchtlingsbetreuer Betreuungs- und Beratungstätigkeiten bei minderjährigen Flüchtlingen durchführen, und wie ich höre, funktioniert die Zusammenarbeit mit der Caritas ausgezeichnet. Ich vertrete aber nicht die Meinung des Innenministeriums, das meint, daß Minderjährige, bei denen von der Verhängung der Schubhaft abgesehen wurde und gelindere Mittel zur Anwendung kommen, keine finanzielle Unterstützung erhalten sollen, weil dies zum Verbleib in Österreich motivieren würde.

Ich bin anderer Meinung. Ich bin der Meinung, daß sich die Behörde gerade bei Kindern und Jugendlichen nicht nur auf die Anordnung eines gelinderen Mittels beschränken soll, sondern natürlich auch die praktische Umsetzung ermöglichen soll. Gegebenenfalls müssen auch die Unterkunftskosten für diese Minderjährigen übernommen werden.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf einen ökonomischen Aspekt hinweisen. Ich bin der Meinung, daß die Unterbringung in einer zugewiesenen Unterkunft wesentlich kostengünstiger sein müßte als die finanziellen Aufwendungen für jene, die in Schubhaft genommen werden. Daher sollte auch dieser ökonomische Aspekt bei der Beurteilung dieser schwierigen Materie berücksichtigt werden.

Alles in allem ist zu sagen, daß die Formulierung "gelindere Mittel" ein schöner Ausdruck ist, aber in der Praxis nicht umgesetzt werden kann. Ich höre von Exekutivbeamten, daß sie minderjährige Frauen oder Kinder vorübergehend oft in Klöstern unterbringen, um eine Unterbringung in Polizeihaftanstalten zu vermeiden. Die Exekutive klagt, daß es im Gesetz zwar diese wunderschöne Bestimmung "gelindere Mittel" gibt, die Umsetzung aber nur sehr schwer möglich ist.

Zum Abschluß kommend: Ich halte diese Anfragebesprechung daher für sehr sinnvoll und bedanke mich bei der Caritas für all ihre Initiativen in diesem Bereich. Ich möchte klar zum Ausdruck bringen, daß bei Kindern und Jugendlichen die Menschlichkeit im Vordergrund zu stehen hat und die notwendigen Maßnahmen getroffen werden müssen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Gleiche Redezeit. – Bitte.

15.23

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Ob man für die Durchsetzung der Abschiebung die Schubhaft verhängt, oder ob die Schubhaft generell durch ein Gelöbnis ersetzt werden soll, ist eine Frage, ob man in Kauf nimmt, daß jemand in Österreich bleibt, der dazu keine Berechtigung hat, der gezeigt hat, daß er nicht bereit ist, die österreichischen Gesetze zu beachten. Die Verlockung unterzutauchen, wenn die Schubhaft durch ein Gelöbnis ersetzt wird, ist unzweifelhaft äußerst groß.

Deshalb sind wir Freiheitlichen überhaupt dagegen, daß die Schubhaft durch ein Gelöbnis ersetzt werden soll – außer bei Kindern. Aber diese Fälle kommen derart selten vor, daß man kaum darüber zu reden braucht.

Weil heute davon geredet worden ist, daß der Innenminister nicht genügend Statistiken hat, möchte ich sagen, der Innenminister führt meiner Meinung nach ganz bewußt oft keine Statistiken, denn wir haben schon einmal eine Anfrage gestellt, in welcher wir den Minister gefragt haben, in wie vielen Fällen der Abschub nicht durchgeführt werden konnte, in denen ein Gelöbnis abverlangt worden ist. Der Herr Minister hat gesagt, das könne er nicht sagen, weil darüber keine Statistik geführt wird.

Ich weiß auch, warum Sie darüber keine Statistik führen, denn, Herr Minister, ich bin überzeugt davon, daß 95 Prozent jener Schubhäftlinge, die das Gelöbnis leisten, statt daß die Schubhaft verhängt wird, überhaupt nicht zur Verfügung stehen, wenn die Abschiebung veranlaßt werden soll, weil sie untergetaucht sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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