Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 169. Sitzung / 65

kanović, eine solche Lösung verhandeln und bewußt Milošević zeigen, daß die Staatengemeinschaft nicht daran interessiert ist, die Dinge ausschließlich mit ihm zu machen?

Das sind Fragen, die man ehrlich überlegen muß. Sollte man in ein solches Friedenspaket nicht gleich auch Bedingungen für eine Demokratisierung Serbiens und Jugoslawiens hineinnehmen? – Freie Medien, Meinungsfreiheit, ordentliche Behandlung der Minderheiten auch in der Vojvodina, im Sandschak, in Montenegro oder sonstwo! Ganz bewußt jede nur mögliche Lunte jetzt austreten, die noch auf dem Balkan glimmt! Das scheint mir wichtig zu sein. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Gradwohl und Marizzi. – Abg. Wabl: Was ist die Lunte?)

Der dritte Punkt: Ich habe die Diskussion um die Sicherheitspolitik in den letzten Tagen und Wochen selbstverständlich mit großem Interesse gesehen, gehört, gelesen. Das ist auch irgendwo ... (Abg. Wabl: Was ist die Lunte?) Entschuldigung, ich möchte jetzt nicht auf Zwischenrufe eingehen. Ich habe, glaube ich, ohnehin schon zu lange gesprochen, möchte in dieser Sache aber trotzdem zu Ende argumentieren, weil es an diesem Tag dazugehört.

Wir haben, glaube ich, in der Sicherheitspolitik einen Dissens. Dieser Dissens begann beim Optionenbericht. Der Optionenbericht – es ist vielleicht wichtig, daß man sich das in Erinnerung ruft – ist gescheitert, und zwar de facto an einem Satz: Die Bundesregierung will in Zukunft alle Optionen einer europäischen Sicherheitsordnung einschließlich der Mitgliedschaft zur NATO überlegen, positiv prüfen und dazu dem Außenminister quasi einen Sondierungsauftrag geben. – Keine Entscheidung, sondern ein Sondierungsauftrag, und die Offenheit für alle Optionen, einschließlich der NATO-Mitgliedschaft!

Aus dieser Krise, aus diesem Scheitern – das war der Knackpunkt in den Verhandlungen – hat sich jetzt fortwährend tatsächlich eine Auseinanderentwicklung ergeben, die eigentlich nicht notwendig wäre. Denn in Wirklichkeit haben wir gemeinsam einen Weg gewählt, übrigens vom Parlament ratifiziert, der uns schon beträchtlich und konstruktiv weitergeführt hat. Es wurde jetzt etwa folgendes Dokument vorgelegt – ich habe es übrigens mit, sodaß derjenige, der das möchte, es sich gerne ansehen kann –, das Dokument eines Berichtes des Vorsitzes über die Stärkung einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. (Vizekanzler Dr. Schüssel hält ein Schriftstück in die Höhe.) Das ist der Text.

Dieser Text erfüllt den Vertrag von Amsterdam, der am 1. Mai in Kraft getreten ist, nachdem er vom  österreichischen  Parlament  mit  weitaus  mehr  als  Zweidrittelmehrheit ratifiziert wurde, mit Leben. Denn in diesem Amsterdamer Vertrag steht drinnen: Wir wollen die gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, aber das muß jetzt konkretisiert werden. Das ist dazu der konkrete "Blueprint", die "Road map", in welche Richtung wir wollen.

Wir haben ja – und das muß man auch der Frau Abgeordneten Kammerlander sagen, auch wenn sie im Moment nicht da ist; Entschuldigung, Sie sind da; ich habe Sie dort oben gesucht – im Zuge der Ratifizierung des Vertrages von Amsterdam unser Neutralitäts- und Verfassungsrecht längst angepaßt. Das ist auch der Hintergrund dafür, daß ich – übrigens genauso wie der finnische Sozialdemokrat und Ministerpräsident Lipponen – heute sage: Wir sind nicht mehr neutral wie während der Zeit des Kalten Krieges, als wir zwischen Ost und West standen, sondern heute nehmen wir an der Unions-Solidarität teil. Europa muß eine gemeinsame Kapazität in Fragen der Sicherheitspolitik entwickeln. Dabei geht es nicht um den Aufbau einer eigenen europäischen Armee.

Der Kern dessen, was in diesem Dokument steht, ist nichts anderes, als daß wir innerhalb der nächsten eineinhalb Jahre die Frage der Organisationsform festlegen, wie diese europäische Sicherheitsarchitektur und dieser europäische Sicherheitsverbund wirklich aussehen soll. Es wird Sitzungen der Außenminister unter möglicher Beiziehung der Verteidigungsminister geben. Es wird den Aufbau eines eigenen Militärstabs geben. Es wird den Aufbau eines eigenen Gremiums, in dem der politische und der Sicherheitsausschuß zusammenarbeiten, geben. Es soll Planungskapazitäten geben. Und alles, was im Vertrag von Amsterdam enthalten ist – Friedensschaffung, Friedensdurchsetzung, humanitäre Hilfe, Krisenmanagement –, soll durch diese Instrumente gesichert sein.


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