Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 169. Sitzung / 70

Aber auch dem Kollegen Spindelegger, der da vorhin so euphorisch den Außenminister gelobt und den Bundeskanzler angegriffen hat, sei ins Stammbuch geschrieben: Die Verantwortlichkeit, die Letztverantwortlichkeit für die Außenpolitik liegt beim Außenminister, und von diesem hat man in letzter Zeit über diese Punkte nicht sehr viel gehört; er läßt den Bundeskanzler ja seine Außenpolitik führen und vertreten. Der Außenminister, meine Damen und Herren von der ÖVP, wird von Ihnen gestellt und hat zumindest eine Mitverantwortung für das, was in seinem Ressort schiefgeht.

Unsere heutige außenpolitische Debatte hat sich eigentlich im wesentlichen mit der Innenpolitik befaßt, und das ist klarerweise eine Folge des Zustandes der Koalition. Aber es gibt doch einige Punkte auch im außenpolitischen Bereich, über die gesprochen werden müßte.

Sie haben vorhin die Osterweiterung angesprochen, Herr Minister, zu der Sie sich bei jedem Anlaß bekennen und damit in den Bewerberstaaten leider falsche Hoffnungen geweckt haben. Die Politik, in den Gastländern etwas zu versprechen, was unhaltbar ist, hat dort zu nachhaltigen Verstimmungen geführt, und wir Abgeordnete merken das immer wieder in Gesprächen mit Abgeordneten aus diesen Staaten.

Sie preisen die Aufnahme der Verhandlungen als großen österreichischen Erfolg an, aber quasi hinter vorgehaltener Hand sagen Sie uns dann selbst – und ich zitiere wörtlich –, daß die heiklen Fragen wohlweislich noch nicht einmal andiskutiert wurden. – Und da ist wirklich sehr, sehr vieles heikel in dieser Sache. Ich denke nur an die Arbeitsmigranten, die auf uns zukommen werden, wenn man wirklich in der Weise weiter fortfahren würde, wie Sie es in diesen Ländern versprechen.

Diese Politik der Erweiterung um jeden Preis – um einen Preis, den vor allem wir Österreicher, die österreichischen Bürger, für die EU zahlen würden, denn wir sind ja die Nettozahler, und kaum ein Pole oder Tscheche wird in Spanien oder Portugal nach einem Arbeitsplatz suchen – sind wir nicht bereit mitzumachen, und wir sehen uns darin einig mit den österreichischen Wählern und Bürgern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und was passiert dann? – Die auf die Warteliste gesetzten Nachbarn müssen natürlich entschädigt werden, am besten finanziell. Sie erklärten neulich im Brustton der Überzeugung und voll Stolz: Verdienst der österreichischen Präsidentschaft ist es, daß die EU dafür 80 Milliarden Euro, also mehr als 1 100 Milliarden Schilling "Schmerzensgeld" lockermachen wird. – Wir werden das zahlen, Herr Minister, und ich weiß nicht, ob das wirklich im Sinne der österreichischen Politik ist, die Sie doch vorgeben zu vertreten, daß wir da unsere künftigen Konkurrenten, unsere künftige Konkurrenz finanzieren. Das ist nicht unsere Politik, Herr Minister!

Und nun zum Hauptpunkt der heutigen Debatte, zur Balkan- und Sicherheitspolitik. In Ihrem Koalitionspakt hat es einen Optionenbericht gegeben – Sie haben ihn heute bereits angesprochen –, und zwar als eine Notwendigkeit, um die österreichische Sicherheitspolitik in eine richtige Form zu bringen. Wir alle wissen, es war eine Pleite! Dazu haben Sie damals gesagt: Das Ergebnis muß eine klare Empfehlung für einen möglichst raschen Beitritt zur NATO sein. Jede andere Option oder eine Verschiebung der Entscheidung auf die nächste Legislaturperiode wäre eine Gefahr für die Sicherheitslage des Landes. – Eine Gefahr für die Sicherheitslage des Landes, Herr Minister!

Wir haben jetzt die Pleite, und wo sind Ihre Konsequenzen? Wo haben Sie diese Gefahr von Österreich abgewendet, wie es Ihre Aufgabe gewesen wäre? Oder war das nur dahingeplaudert, Herr Minister? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mittlerweile erfolgt ja die NATO-Erweiterung, und seit der Washingtoner Konferenz wissen wir alle, daß die Türen zur NATO auf längere Zeit zugeschlagen sind. Unter den möglichen Kandidaten werden wir nicht einmal mehr genannt. Aber statt diese erzwungene Pause zum Nachdenken und zur Diskussion mit dem Bürger zu nützen, hätte der Kanzler am liebsten gleich ein mehrjähriges Denkverbot verordnet – ganz im Stil des vorhin von Kollegen Schieder Angesprochenen –, weil die SPÖ eben intern einfach zu zerstritten ist und sich nicht entschließen


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