Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 169. Sitzung / 123

Jahre 1998 – 94 Selbstbeschädigungen in österreichischen Schubhaftgefängnissen gegeben hat. Das ist, absolut genommen, eine Zahl, die hoch ist, weil hinter jeder Selbstbeschädigung eine menschliche Tragik steckt. Das sind Leute – das muß man sich einmal vorstellen –, die in ihrer Situation, da sie ihnen ausweglos erscheint, als letzte Waffe, um etwas zu erreichen – ob Sie das für legitim oder nicht legitim halten, sei jetzt dahingestellt –, ihren Körper einsetzen. Ich frage mich: Wie weit muß ein Menschen sozusagen psychisch unter Druck sein, daß er das tut? – Denn für mich ist das sehr schwer nachvollziehbar.

Aber die absolute Zahl von – jetzt beziehe ich mich auf das Jahr 1998 – 94 Selbstbeschädigungen bekommt eine besondere Dramatik, wenn darauf hingewiesen wird, daß von diesen in der Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers genannten 94 oder rund 100 Fällen – er hat das nicht detailliert aufgeschlüsselt; das ist nicht sein Fehler, weil die Fragestellung nicht danach lautete – 33 auf Personen entfallen, die – was immer die Selbstbeschädigung oder der Selbstmordversuch dargestellt hat – innerhalb eines laufenden Asylverfahrens standen. Und 58 dieser Personen hatten ein abgeschlossenes Asylverfahren hinter sich. Das heißt – wenn ich das nicht nur interpretiere, sondern die nackten Fakten heranziehe –, daß fast ausschließlich Asylwerber, also fast ausschließlich Menschen, die in einem Asylverfahren stehen oder standen – für Sie macht das ja keinen Unterschied, weil sie nach Ihrem Selbstverständnis Flüchtlinge sind –, diese Selbstmordversuche und Selbstbeschädigungen vornehmen.

Herr Bundesminister! Das ist ein Alarmzeichen. Das ist deshalb ein Alarmzeichen, weil – nicht von Ihnen, sondern vor allem durch die veröffentlichte Meinung – uns jetzt auch in der Öffentlichkeit immer wieder weisgemacht wird: Die Schubhäftlinge sind alle Kriminelle, Drogendealer und Menschen, die sich, ohne dazu auch nur die geringste Legitimation zu haben, in Österreich aufhalten und deshalb zu Recht in Schubhaft sitzen!

Diese Ihre Zahlen beweisen, daß – wenn ich jetzt nur diese kleine Problemgruppe herausnehme, und es sind ja Tausende in Österreich in Schubhaft – vor allem diejenigen, die in Österreich Schutz vor Verfolgung suchen und daraufhin in Österreich in diese neuen Extremsituationen kommen. Das ist es, Herr Minister, was im Zentrum der Diskussion steht, und hierfür ist Marcus Omofuma ein Synonym geworden.

Das, Herr Minister, ist neben der allgemeinen Forderung nach einem Schubhaftvollzugsgesetz und nach allgemeinen Regelungen – Forderungen, die meiner Ansicht nach logisch sind – ein ganz wesentlicher Punkt: nämlich das zu intensivieren, was begonnen worden ist. Das ist etwas, was ich aus Ihrem Selbstverständnis heraus ebenfalls für logisch hielte. Denn die Initiativen für die Schubhaftbetreuung und die Zusammenarbeit werden ja vom Innenministerium gefördert.

Es ist dabei allerdings auch so, Herr Bundesminister, daß man dort mit dem Zuckerbrot-und-Peitsche-System vorgeht. Denn jener Institution in Graz, die Herrn Sektionschef Matzka nicht ganz so genehm war, weil sie nach seinen Vorstellungen zu rechtsstaatlich-freundlich vorgegangen ist, wird der Geldhahn zugedreht, und deren Tätigkeit wird eingeschränkt. "ZEBRA" bekommt dem Vernehmen nach – Sie wissen darüber sicherlich besser Bescheid – keinen Vertrag mehr oder weniger Geld, um diese Arbeit zu leisten.

Herr Bundesminister! Wenn es – das möchte ich hier nur stichwortartig aufzählen – im Management des Umgangs mit der Extremsituation des Todes eines Menschen in Polizeigewahrsam – was in Österreich gottlob ein Ausnahmefall ist – von Ihrer Seite nicht die Reaktion gibt, daß alles, was in Richtung psychologische, sozialarbeiterische, therapeutische Betreuung geht, um, wie zu Beginn gesagt, deeskalierend und aggressionsabbauend zu wirken – und das findet großen Respekt in den Reihen Ihrer Beamten und unserer Beamten, denn sie sind ja nicht nur Ihre persönlichen Beamten, sondern Bedienstete der Republik – mehr Gewicht bekommt, wenn das nicht der Punkt der Tätigkeit wird – neben allem, was sonst ausständig ist; ich erwähne nur das Chaos in der Vorgangsweise um Suspendierungen –, wenn das nicht ins Zentrum des Bewußtseins gerückt wird, Herr Bundesminister (Abg. Leikam: Redezeit!), dann ist wirklich Hopfen und Malz verloren, meine sehr geehrten Damen und Herren!


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