Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 169. Sitzung / 128

das sehr bewußt, damit uns Liberalen nicht wieder einmal, wie so oft, "blauäugige Naivität", um nicht zu sagen "Dummheit", unterstellt wird.

Nochmals: Wir wissen, daß auch dieses Instrument dann und wann und immer wieder zum Einsatz wird kommen müssen, aber die Frage ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel – das wird jedoch gar nicht diskutiert in diesem Hause – beziehungsweise die tatsächliche Notwendigkeit der Schubhaftbetreuung: nicht nur als Alibiaktion mit drei Minuten Zeit pro Woche und Schubhäftling. Es müssen sich Vertrauensverhältnisse entwickeln können, die im übrigen auch dann deeskalierend wirken, wenn abgeschoben werden muß. Wem glaubt man denn, wenn man erfolglos geblieben ist in einem Asylverfahren? – Demjenigen, der mir, nolens volens, als Scherge gegenübergestanden ist, oder demjenigen, der einen in dieser Phase betreut hat?

Ich meine, es ist heute mehr als sichtbar geworden, daß unsere Behörden und die Sicherheitssprecher der Regierungsparteien teilweise ein gestörtes Verhältnis zu jenen Menschen haben, die Schutzbefohlene betreuen. (Widerspruch des Abg. Kiss.) Sonst könnte doch Herr Kollege Leikam nicht unterstellen, daß Schubhaftbetreuer die Schubhäftlinge grundsätzlich zu illegalen Handlungen anregen würden. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. – Abg. Kiss: Sie täten sich schön bedanken, wenn ich über Sie einen Kübel voller Schmutz ausschütten würde!)

Es ist mir wichtig, zu sagen: Schubhaftbetreuer leisten schwere Sozialarbeit. (Abg. Kiss: Bestimmt!) Sie sind so erfolgreich, wie sie eben sind, aber sie müssen die Möglichkeit haben, zeitlichen Einsatz leisten zu können.

Herr Kollege Kiss, es ist uns mehr als einmal von diesem Rednerpult aus – auch von Ihnen – unterstellt worden, wir wären "naiv", "blauäugig", um nicht überhaupt zu sagen "deppert". (Abg. Kiss: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe differenziert!) Und daher halten Sie bitte Kritik aus, wenn ich Sie im politischen Raum bewerte und nicht Ihre Persönlichkeit angreife! Halten Sie doch diese Kritik bitte aus! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Und das alles bitte vor dem Hintergrund, daß hier Kollege Leikam Schubhaftbetreuer der Komplizenschaft mit Kriminellen geziehen hat. Das halte ich für schlecht! Wir brauchen gute Schubhaftbetreuer, Schubhaftbetreuer, die auch in der Stunde der Not des Asylwerbers, der mit seinem Asylantrag gescheitert ist, an dessen Seite stehen, diesen beraten und unter Umständen sehr stark deeskalierend wirken. (Abg. Kiss: Ich habe den Eindruck, Sie wissen nicht, wovon Sie reden!) – Ich weiß, wovon ich rede! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kiss.)

Wenn Sie allerdings diesen menschlichen Zugang nicht haben, dann haben Sie ein gestörtes Verhältnis zu den Menschenrechten – und dann "passiert" Ihnen etwas. In Ihrer Welt ist es ja nur "passiert", daß Marcus Omofuma gestorben ist. Das war Ihrer Ansicht nach offenbar ein "Mißgeschick" in sonst üblichen Abläufen.

Ich meine, um die Abläufe geht es dabei. Es geht um den Umgang, es geht um die Verhältnismäßigkeit der Mittel, und die angesprochenen Selbstbeschädigungen und Selbstmordversuche sind ein Spiegel der Unverhältnismäßigkeit der Mittel. Da haben wir einen Bundesminister für Inneres, der uns sagt – sozusagen unter Eid sagt, ja schwört! –, er habe von all diesen Praktiken nichts gewußt. Diese Aussage steht im Raum, und solange sie nicht widerlegt ist, muß sie geglaubt werden, auch wenn es einen dabei manchmal sehr stark zusammenkrampft, weil das unplausibel klingt! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Unplausibel ist es – das wird man wohl noch sagen dürfen –, daß ein Bundesminister so schlecht informiert ist. Die Frage ist: Wie lange kann Minister Schlögl dieses Spiel betreiben – bis vielleicht am Schluß herauskommt, daß er nicht fähig ist, das Ressort zu leiten, weil er nichts weiß? – Irgendwann wird die Grenze erreicht sein, und daher erwarte ich mir heute von ihm, daß er von der Regierungsbank aus zu diesem vorgelegten schriftlichen Gedächtnisprotokoll Stellung bezieht, in dem ein reputierter Mensch schriftlich niedergelegt hat, daß er Herrn Bundesminister Schlögl expressis verbis im Jahre 1997 darüber informiert hat, daß das Verkleben des Mundes von Schubhäftlingen Faktum ist.


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